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Wort der Woche: Våffeldagen

In Schweden ist heute Waffeltag, Våffeldagen, und es werden vielerorts die Waffeleisen hervorgeholt. Ein Blick in einen deutschen Kalender zeigt, dass heute auch “Mariä Verkündigung” ist, und die Vermutung, dass es da einen Zusammenhang gibt, ist in der Tat richtig. Denn eine alte schwedische Bezeichnung für diesen Feiertag ist “Vårfrudagen”, was “Tag unserer Frau” bedeutet.

Ein schlichtes Missverständnis oder Verschleifung hat dann aus dem “Vårfrudagen” den “Våffeldagen” gemacht und man fing an, mehr Waffeln zu essen.

Das macht den 25. März, finde ich, zu einem schönen Beispiel, wie christliche Traditionen in Schweden ihren religiösen Charakter verlieren und in den Alltag übergehen, in dem Religion für die meisten Schweden eine sehr geringe Rolle spielt.

(Faulheitsoffenlegung: Diesen Text gab es in leicht anderer Form schon letztes Jahr.)

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Wort der Woche: Mack

Mack oder auch bensinmack bedeutet “Tankstelle”.

Dazu gäbe es nicht viel mehr zu sagen, wenn mack nicht ein eher seltsames Wort wäre. Es passt irgendwie nicht in das Schema, wie im Schwedischen Wörter gebildet werden und man hätte stattdessen das zwar existierende, aber kaum verwendete Wort bensinstation erwartet. Woher also kommt die Bezeichnung mack?

Es ist ein alter Firmenname. MACK steht für Mathiasson, Andersson, Collin och Key, die vier Gründer der Firma, die Anfang des letzten Jahrhunderts Benzinpumpen herstellte und damit in Schweden Marktführer wurde. Dass die vier Buchstaben in die gusseisernen Abdeckungen der Pumpen eingegossen und damit sichtbar waren, trug wohl dazu bei, dass sie als Wort in die schwedische Sprache aufgenommen wurden.

Mack ist also einer jener Fälle, bei denen ein dominanter Markenname auch für ähnliche Produkte steht und derer es auch im Deutschen zahlreiche gibt (Tempo, Kaba, Fön). Das Wort hat es aber zudem geschafft, seine Bedeutung von der Benzinpumpe auf die ganze Tankstelle auszuweiten und als Markenname in Vergessenheit zu geraten.

Die Firma MACK gibt es nicht mehr und das ursprüngliche Fabrikgebäude in Stockholm beherbergte zuletzt einen Jazz-Club, bevor es 2005 unter Protesten abgerissen wurde.

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Wort der Woche: Vasaloppet

Der Vasaloppet ist ein Langlauf-Skirennen in der schwedischen Region Dalarna. Es ist nicht irgendein Rennen, es ist das Rennen des Jahres und tausende Amateure aus ganz Schweden nehmen an dem Großereignis teil. In der Woche vor dem ersten Sonntag im März finden schon verschiedene Teildisziplinen auf der Strecke statt, der eigentliche Vasa-Lauf über die 90km bildet dann den Abschluss.

Mit wenigen Ausnahmen findet der Lauf seit 1922 jährlich statt und der diesjährige Gewinner, Oskar Svärd, kam vorhin ins Ziel. Er hat zum dritten Mal gewonnen.

Die Strecke zwischen den Orten Sälen und Mora hat in der Tat mit dem Namensgeber Gustav Vasa zu tun. Der spätere König und Staatsgründer Schwedens war 1520 auf der Flucht vor dem dänischen König Christian II., der noch heute in Dänemark “Christian, der Gute” und in Schweden “Christian, der Tyrann” genannt wird.

Vasa floh auf Skiern und sprach in Mora zur dortigen Versammlung, um sie zu überreden, ihn bei einem Aufstand gegen die Dänen zu unterstützen. Dies gelang ihm nicht und er fuhr weiter Richtung Norwegen. Neue Berichte zu den Gräueltaten rund um das Stockholmer Blutbad, bei dem Christian viele schwedische Adelige töten ließ, erreichten kurz darauf Mora und änderten die Stimmung zugunsten Vasas. Die beiden besten Skifahrer wurden ihm hinterhergeschickt, erreichten ihn bei Sälen und überzeugten ihn zur Umkehr nach Mora, um den Aufstand anzuführen. Drei Jahre später war Schweden unabhängig und Vasa König.

Das Wort der Woche Brasklapp von vor einem halben Jahr und der schwedische Nationalfeiertag haben damit auch etwas zu tun. Mehr zum Vasalauf und zum Stockholmer Blutbad bei der Wikipedia.

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Wort der Woche: Bokrea

Das Wort bokrea setzt sich aus bok und rea zusammen. Rea kommt von realisation und bedeutet “Ausverkauf”. Wer schon einmal durch eine Einkaufsstraße in Schweden gegangen ist, sollte diesem kurzen Wort in riesigen Buchstaben schon einmal begegnet sein.

Ein bok ist ein “Buch” und dementsprechend ist die bokrea ein “Bücherschlussverkauf”. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Schweden keine Buchpreisbindung mehr, der Schlussverkauf ist jedoch ein Relikt aus der Zeit mit von Verlagen vorgeschriebenen Preisen für Bücher. Bis 1970 boten also die Buchhändler ihr Sortiment zu festen Preisen an und wenn ein Verlag nach einigen Jahren beschloss, dass ein Buch eingezogen werden soll, dann gab es den Schlussverkauf, bevor die Restbestände verbrannt wurden.

Das bedeutete auch, dass man, von Antiquarien abgesehen, ein Buch nicht mehr kaufen konnte, wenn es einmal im Ausverkauf war. Heute ist das nicht mehr der Fall – trotzdem ist die Bokrea immer noch ein Ereignis. Es werden vorab Kataloge gedruckt, welche Bücher billig zu haben sein werden, und diese Kataloge werden in Zeitungen rezensiert. Es werden sogar eigene Rea-Auflagen gewisser Bücher gedruckt, dann meist auf billigerem Papier, ansonsten sind es aber vor allem hochwertig eingebundene Bücher, die man im Ausverkauf billiger bekommt.

Die Bokrea startet fast volksfestartig. Die Läden öffnen schon um Mitternacht und es bilden sich lange Schlangen mit Leseratten, die die besten Schnäppchen ergattern wollen. Nicht wenige der lesefreudigen Schweden nutzen die Gelegenheit, sich mit einem Vorrat an Lesestoff einzudecken. In der Nacht zum Dienstag startet die diesjährige Bokrea.

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Wort der Woche: Kungens Kurva

Rainer schrieb gestern:

So und jetzt mache ich mich auf den Weg zu IKEA in Kungens Kurva, wo es wahrscheinlich von Menschen nur so wimmelt.

Kungens Kurva? In der Tat nennt sich der Platz in Huddinge, etwas südlich von Stockholm, an dem heute das Einkaufszentrum mit einem IKEA, dem Vergnügungszentrum Heron City und Filialen der verschiedenen Elektronikgroßmärkte liegt, Kungens Kurva, also die “Kurve des Königs”.

Das kam so. Der Urgroßvater des heutigen Königs, Gustav V., war 1946 auf dem Heimweg von der Jagd auf Schloss Tullgarn und aß im Fond des großen Cadillac mit einigen Mitreisenden zu Mittag. Die Stimmung war gut und Gustav wies den Chauffeur an, schnell zu fahren. Der Weg war damals noch nicht autobahnartig ausgebaut und es fanden Bauarbeiten statt, so dass der Fahrer wegen der hohen Geschwindigkeit leicht vom Weg abkam und die Kontrolle über das Auto verlor. Man landete im sumpfigen Straßengraben. Niemand kam zu Schaden und der König wurde im nachfolgenden Wagen seiner Söhne mitgenommen. Trotzdem war der Unfall die Sensationsnachricht des nächsten Tages.

Als kurz darauf an dieser Stelle eine Tankstelle aufmachte, bekam sie den Namen Kungens Kurva, der heute für das gesamte Viertel verwendet wird. Der Ursprung des Namens gerät derweil in Vergessenheit.

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Worte der Woche: Fyra eller Sexa?

Dass Schweden es sehr genau nimmt mit dem Alkohol, ist nicht neu (siehe z.B. hier oder hier). Das Alkoholgesetz umfasst zwölf Kapitel auf vierzehn Seiten mit jeweils mehreren Paragraphen.

Diese Mentalität führt dazu, dass auch beim Alkoholausschank alles mit rechten Dingen zugeht. Wenn man an einer Bar, sei es in einer Studentennation oder einer “zivilen”, sich einen Drink aus der Liste ausgesucht hat und seinen Wunsch dem Barkeeper mitteilt, stellt einem dieser standardmäßig die Frage

Fyra eller sexa?

was soviel bedeutet wie

Einen Vierer oder einen Sechser?

Dabei handelt es sich um eine Volumenangabe, nämlich vier beziehungsweise sechs Centiliter. Diese bezieht sich nicht auf die Größe des Glases oder wie weit es gefüllt wird, sondern darauf, wie groß der Anteil der stark-alkoholischen Zutaten am Gesamtvolumen ist. Um nicht zu viel des teuren Nasses einzuschenken, aber auch damit der Kunde sieht, dass er auch das bekommt, wofür er bezahlt, wird in der Regel ein Messbecher verwendet.

Ein sexa ist also ein stärkerer Drink als ein fyra, weil er das anderthalbfache an Alkohol ins Glas bekommt, bevor mit Saft oder Ähnlichem aufgefüllt wird. Der Preis ist selbstverständlich auch ein anderer für die beiden Varianten des Getränks und es ist üblich, dass auf der Cocktailliste gleich beide Preise für einen Vierer und einen Sechser angegeben sind.

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Wort der Woche: Knytkalas

Wenn man gehässig wäre, könnte man es den Schweden als Geiz auslegen. Feste, bei denen der Gastgeber vollständig für Essen und Getränke sorgt sind relativ selten. Zu privaten Feiern bringt man üblicherweise seine eigenen alkoholischen Getränke mit und zu größeren Festen, bei denen alles vorbereitet ist und ein mehrgängiges Essen aufgetischt wird, bezahlt man trotz seiner “Einladung” meist 200 bis 400 Kronen als Unkostenbeitrag.

Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, schließlich wird es so einfacher für den Gastgeber und es werden mehr Feste ausgerichtet. Sehr beliebt, was das Essen bei privaten oder Vereinsfeiern angeht, ist die so genannte Knytkalas. Kalas bedeutet nichts anderes als “Fest” und kann alleine auch als Ausruf der Freude und Zustimmung verwendet werden.

Das Verb knyta ist das deutsche “knüpfen” und bedeutet auch binden, anbinden und verknüpfen. Was ist also ein “Fest zum Verbinden”? Es ist eine Mitbringparty, bei der jeder etwas zum Essen beisteuert, meist mit Hilfe einer gewissen Organisation des Gastgebers. Beliebt sind dabei Aufläufe verschiedenster Art, die kleinen schwedischen Hackfleischbällchen, Kartoffeln, Salate und Ähnliches. Natürlich gibt es so etwas auch in Deutschland, aber ich glaube behaupten zu können, dass diese Art Fest in Schweden öfter vorkommt.

Verbindend ist eine Knytkalas auf jeden Fall, denn sie bringt Gesprächsthemen mit sich. Man kann fragen, wer was gemacht hat und sich gegenseitig loben, wie gut es doch schmeckt. Das kann gerade in Gruppen, die sich nicht sehr gut kennen, ein wichtiger Eisbrecher sein.

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Wort der Woche: Medelsvensson

Die Bildung von Nachnamen mit der Endung son, an einen Vornamen angehängt, ist sehr üblich in Schweden. Tausende Menschen heißen Andersson, Karlsson, Eriksson, Olsson oder eben Svensson. Letzterer hat zusätzlich eine sprichwörtliche Bedeutung erhalten und steht für alles, was typisch für einen Schweden ist. Die Vorsilbe medel- bedeutet “Durchschnitts-” und verstärkt den Ausdruck.

Gebraucht wird dieser Präfix nicht, denn jeder weiß hier, was gemeint ist, wenn man jemanden einen “richtigen Svensson” nennt, nämlich, dass derjenige nicht aus der Masse herausfällt, sondern ein überaus angepasstes Leben führt. Die Bezeichnung hat vor allem negative Assoziationen, denn auch in Schweden sagt kaum jemand freiwillig von sich, dass er der perfekte Durchschnittsbürger ist. In Wirklichkeit gehören Villa, Volvo, Vovve (Haus, Auto, Hund) natürlich doch zu dem von vielen angestrebten Lebensstil.

Letzte Woche ging die neueste Statistik mit den Merkmalen und Eigenschaften der Familie Medelsvensson durch die Medien (D, D, E, S). Zuallererst heißt sie nicht Svensson, sondern Johansson. Volvo fährt sie aber in der Tat und zwar Baujahr 2000. Er nennt sich Lars und ist 39, seine Frau Anna ist 42. Die Kinder heißen Johan und Emma und es gibt ein Haustier im gemeinsamen Eigenheim. Und so weiter.

Statistiken dieser Art können unterhaltsam sein. Es wird jedoch in der Regel nur der Mittelwert angegeben und man erfährt nichts über die Streuung der Daten. Prinzipiell können sich diese Mittelwerte ergeben, ohne dass es auch nur eine Familie in Schweden gibt, die diesem Bild nahe kommt. Außerdem werden die Daten sprachlich so umformuliert, dass sich kleine Fehler einschleichen. Zum Beispiel könnte man aus dem letzten Absatz, der ähnlich überall zu lesen war, die Schlussfolgerung ziehen, dass in schwedischen Ehen der Mann jünger ist, als die Frau.

Das ist aber nicht der Fall. Wie in der ursprünglichen Pressemitteilung des statistischen Zentralbüros zu lesen ist, sind die Altersangaben lediglich der Mittelwert des Alters aller Männer beziehungsweise aller Frauen. Und weil Frauen im Schnitt länger leben, ist dieser Wert bei ihnen eben höher. Erst heute stand in einem Nebensatz in der Zeitung, dass – wie man vermutet hätte – auch bei schwedischen Ehepartnern der Mann im Durchschnitt drei Jahre älter ist als die Frau.

Statistiken sind wichtig und interessant, aber es muss immer dazugesagt werden, was genau und wie gemessen wurde. Außerdem wäre die Verteilung der Ergebnisse viel spannender als bloß der Mittelwert. Was man aus dem Statistischen Jahrbuch (S, pdf, 784 Seiten) noch so alles herauslesen kann, muss auf ein andermal warten.

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Wort der Woche: Pizzasallad

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Auch in Zeiten der internationalisierten Küche und des vereinten Europa kommen noch bestimmte landes- und regionaltypische Spezialitäten auf die Teller, denen Außenstehenden nicht selten mit Abscheu begegnen.

Die Pizza, so könnte man meinen, ist dagegen der Inbegriff der Vereinheitlichung des Essens. Unterschiede bestehen allenfalls in der Dicke des Teiges und der Variation des Belags, die es sowieso überall gibt. Auch wenn beispielsweise in Schweden öfter Schrimps auf die Pizza kommen als anderswo, erwarten einen in der Regel nirgendwo echte Überraschungen, wenn man eine Pizza bestellt, auch nicht in Schweden.

Eine nordische Eigenheit hat sich dennoch herausgebildet: der pizzasallad. Wo andernorts die Pizza eine Mahlzeit ohne Beilagen ist, gehört für viele Schweden der Pizzasalat unbedingt dazu. Es handelt sich dabei um kleingehackten Weißkohl, der in Essig, Öl und Pfeffer eingelegt ist. Die “luxuriöseren” Varianten haben auch einige Stücke Paprika beigemischt. Man bekommt den Pizzasalat auf einem Beilagenteller oder, wenn man sich die Pizza nach Hause holt, in einem kleinen, verschlossenen Plastikschälchen. Manche ehren dann sogar das Prinzip der Pizza, dass alles auf den Teig gehört, indem sie den Kohlsalat auf der Pizza verteilen, bevor die sie essen.

Ich selbst bin wohl immer noch zu “kontinental”, als dass ich in pizzasallad eine echte Bereicherung des runden Essens entdecken könnte.

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Wort der Woche: Tjugondag Knut

Wenn ich verrate, dass tjugo^1^ im Schwedischen “zwanzig” bedeutet, und gleichzeitig an den Trettondagen vor einer Woche erinnere, kann man es wohl selbst erraten: Heute ist der zwanzigste Tag nach Weihnachten, der tjugon(de)dag jul. Außerdem hat Knut in Schweden heute Namenstag, daher die Zusammensetzung.

Mit dem heutigen Tag sind die Weihnachtsfeierlichkeiten endgültig vorbei, denn der traditionelle Spruch besagt

Tjugondag Knut dansas julen ut,

was soviel bedeutet wie “Am Knut, dem zwanzigsten Tag, wird Weihnachten zu Ende getanzt”. Heutzutage sieht man das etwas nüchterner und der Satz

Tjugondag Knut åker granen ut,

ist geläufiger. Heute wird also der Tannenbaum (_gran_) aus der Wohnung geworfen. Das kann durchaus einmal wörtlich gemeint sein und, wie in der Werbung^2^, durch das Fenster geschehen. Für die Entsorgung muss man meines Wissens jedoch trotzdem selbst sorgen.

Nachtrag, 15. Jan: Tjugondag Knut ist vor allem für Kinder etwas Besonderes, denn dann dürfen sie den Weihnachtsbaum plündern, bevor er verschwindet. In Häusern mit Kindern besteht der Baumschmuck nämlich meist aus Süßigkeiten.

^1^ Das spricht man wie “chügo” mit “ch” wie in “Küche”.
^2^Ich glaube das war eine IKEA-Werbung, in der entlang einer Straße die Bäume aus den Fenstern fliegen. Ich finde sie gerade nicht online, aber bin bei der Suche auf eine andere lustige IKEA-Werbung gestoßen:

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