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Wort der Woche: Wallraffa

Das Verb “wallraffa” ist kein alltäglich gebrauchtes. Es bedeutet “unter Vortäuschung einer falschen Identität investigativ recherchieren” und wird verständlicherweise vor allem im Zusammenhang mit Journalisten gebraucht. Das Wort kommt in der Tat von Günter Wallraff, der in den Siebzigern für eben diese Tätigkeit in Deutschland berühmt wurde.

Nachdem der Buchstabe W ins schwedische Alphabet aufgenommen wurde, ist “wallraffa” jetzt auch Teil der offiziellen schwedischen Wortliste SAOL. Mir fällt gerade kein anderer Deutscher ein, der sich auf diese Art verewigt hat.

(via)

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Wort der Woche: hhhffffffffff

Es ist schwierig, dieses Geräusch in Buchstaben zu fassen und es ist auch kein Wort, das sich im Wörterbuch findet. Es geht um das zischende Geräusch, wenn den Mund wie zum Pfeifen formt, aber Luft einsaugt, anstatt hinausbläst.

In Schweden hat das eine konkrete Bedeutung. Es ist die in Norrland übliche Art, Zustimmung auszudrücken. Hhhffffffffff bedeutet also so viel wie “Ja, genau!”, “So ist es.” oder “Da hast du Recht”. Schweden aus südlicheren Breiten verwenden das zwar kaum, verstehen es aber und es ist, neben dem deutlichen Akzent, ein Erkennungsmerkmal für Norrlänningar, die vom restlichen Schweden oft als provinziell belächelt werden.

Ein schon angegrauter Witz geht in etwa so: Was macht man, wenn man mal wieder unter dem Bett staubsaugen müsste? Man lädt seine Freunde aus Norrland ein und fragt sie, ob es unterm Bett schmutzig ist. Worauf diese eben zustimmend mit Lufteinsaugen antworten und sich das Problem erübrigt.

Vielleicht kann man den Blick der Schweden auf Norrland ein wenig mit dem Blick der Deutschen auf Bayern vergleichen, mit dem Unterschied, dass Norrland wirtschaftlich schwach und menschenleer ist.

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Wort der Woche: Folköl

Folköl bedeutet “Volksbier” und ist eine der schwedischen Abstufungen von Bieren mit verschiedenem Alkoholgehalt. Es bezeichnet Bier zwischen 2,25 und 3,5% Alkohol und weil Biere unter 2,8% von der Alkoholsteuer befreit sind, gibt es im Supermart üblicherweise Folköl mit 2,8 und mit 3,5% Alkohol.

Bier mit mehr als 3,5% darf nicht mehr in normalen Läden verkauft werden, denn dabei handelt es sich um Starköl, also das was man in Deutschland schlicht “Bier” nennt. Hier kommt das schwedische Staatsmonopol auf Alkohol ins Spiel und man muss, um Starkbier zu kaufen, ins Systembolaget gehen, einen der staatlichen Alkoholläden.

Mag sein, dass mich viele Deutsche jetzt gleich auslachen, aber ich finde Folköl gut. Man kann es zu Gelegenheiten trinken, zu denen ein Bier passt, aber zu denen man sich nicht betrinken möchte – zum Beispiel beim Draußensitzen an einem warmen Sommerabend, zu Grillfesten, oder einfach zum Essen. Geschmacklich machen 3,5 anstatt 5% Alkohol wenig Unterschied und Folköl ist ein guter Erstatz für die deutsche Unsitte, Bier mit verschiedenen Limonaden zu mischen.

Es gibt noch mehr Klassifizierungen von Bier in Schweden, deshalb hier ein kleines Glossar:

  • Lättöl: Das “Leichtbier” hat unter 2.25% Alkohol und darf auch von Minderjährigen gekauft werden.
  • Volköl: Zwischen 2.25 und 3.5%, Verkauf nur an Volljährige, aber in normalen Läden.
  • Mellanöl: Das “mittlere Bier” ist eine aussterbende Ölklasse bis 4.5%, die man bis 1977 auch noch in Lebensmittelläden kaufen konnte. Heute finden sie sich auch im Systembolaget.
  • Starköl: “Richtiges” Bier ist nur im Systembolaget oder in Gaststätten zu bekommen. Meist um 5% Alkohol, man findet aber auch absurde Biere mit über 10%.
  • Fulöl: Wörtlich “hässliches Bier”, bezeichnet Biere geringer Qualität, die oft einen hohen APK (“Alkohol per Krona”) haben.

  • Finöl: Das Gegenteil des letzten, also Qualitätsbiere. Tschechische Biere sind sehr beliebt, auch einige deutsche Marken. Es gibt aber auch sehr trinkbares Finöl aus Schweden.

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Wort der Woche: Tredubbel

Das schwedische Verb- und Adjektivpaar dubbla und dubbel bedeutet verdoppeln bzw. doppelt. Da tre schlicht die Zahl Drei ist, bedeutet tredubbel also dreidoppelt.

Dreidoppelt? Wenn man darüber nachdenkt, fallen einem mehrere Möglichkeiten ein, welches Vielfache denn damit gemeint sein könnte. Dreimal verdoppelt, also achtfach, ist naheliegend, ebenso verdreifacht und dann verdoppelt, eine Versechsfachung. Oder handelt es sich um eine schnöde Verdreifachung?

Letzteres ist der Fall. Tredubbel wird eher im gesprochenen als im geschriebenen Schwedisch verwendet und entstand wohl aus der Not, dass es keine kurze Form wie X-fach im Deutschen gibt, um Vielfache auszudrücken, sondern nur die Formulierung “X Mal so viele”. Dubbel wird in tredubbel also wie die deutsche Endung -fach benutzt und gelegentlich, aber seltener, hört man diese Konstruktion auch mit anderen Zahlen.

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Wort der Woche: Skärgård

Gryts SchärengartenDas Wort Skärgård^1^ dürfte vielen Schwedentouristen schon untergekommen sein. Es gibt sogar eine wortwörtliche Übersetzung im Deutschen: Schärengarten, oder schlicht die Schären.

Was sind Schären? So nennt man die kleinen Inseln mit eiszeitlich rundgeschliffenen Klippen (siehe Bild), wie man sie vor allem vor den schwedischen Küsten vorfindet. Gärten nennt man diese Gebiete, weil die Schären nicht alleine kommen, sondern zu Tausenden. Der wohl bekannteste Schärengarten an der Ostküste vor Stockholm, Stockholms Skärgård, besteht z.B. aus etwa 25.000 Inseln verschiedener Größe.

Schärengärten findet man sowohl an der Ost- als auch an der Westküste Schwedens und sie sind sehr beliebte Urlaubsziele für Einheimische. Im Winter sind die Schärengärten wegen des garstigen Wetters fast menschenleer und nur sehr wenige der größeren Inseln sind das ganze Jahr über bewohnt. Im Sommer, speziell ab Mittsommer, wenn die meisten Schweden Urlaub haben, füllen sich die Sommerhäuser und zahlreiche Boote tummeln sich zwischen den Inseln.

Skärgårdslivet, das Leben im Schärengarten, hat für viele Schweden einen besonders romantischen Klang und wird mit dem einfachen, naturverbundenen Leben und der “guten alten Zeit” in Verbindung gebracht. Daran ist wohl Astrid Lindgren nicht ganz unschuldig, denn in ihrem Buch Vi på Saltkråkan steht ebendies im Vordergrund. Soweit ich weiß ist dieses Buch in Deutschland weit weniger bekannt als Lindgrens andere Werke – in Schweden kennt es aber jeder, wenn nicht als Buch, dann aus der mehrteiligen Verfilmung.

Ich bin über dieses Pfingstwochende im Gryts Skärgård, der knappe drei Autostunden südlich von Stockholm an der Ostseeküste liegt. Die Karte unten (klicken zum vergrößern) zeigt den Küstenbereich, an dem das Haus liegt und den man mit einem kleinen Motorboot bequem erreicht. Wer möchte, kann einen Blick auf die Bilder vom letzten Jahr werfen.

Karte vom
Gryt-Schärengarten

[1] Skärgård spricht man “Schärgohrd” oder “Chärgohrd” mit “ch” wie in “Tuch”.

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Wort der Woche: Kubb

Das schwedische Wort Kubb kann vielerlei bedeuten:

  • Der runde Hut, die Melone, heisst im Schwedischen Kubb.
  • Mandelkubb ist ein harter Mandelkuchen.
  • Huggkubb bedeutet Hackklotz.
  • Ein spezieller Laib schweres Brot wird auch Kubb genannt.

Generell kann also viel, das klotzartig ist, mit kubb bezeichnet werden und vielleicht ist Klotz auch die beste allgemeine Übersetzung. Kubb ist auch ein in Schweden sehr beliebtes Spiel für den Sommer und wird im Freien gespielt, oft auf Wiesen während eines Grillfestes. Es ist ein Geschicklichkeitsspiel und geht darum, mit kurzen Holzstöcken, die Holzklötze der Gegenseite umzuwerfen. Das klingt zuerst einmal sehr simpel und wenig spannend, wird aber durch die Regeln erst interessant, die wie folgt aussehen.

Das Spielfeld ist rechteckig und die Grundlinien der beiden Seiten sind zwischen 6 und 10 Metern auseinander. Auf den beiden Grundlinien stehen zu Beginn jeweils 5 Klötze aufrecht, die Kubbar, nach denen das Spiel benannt ist. In der Mitte des Feldes steht ein größerer Klotz, der König. Die Mannschaften werfen abwechselnd mit 6 Stöcken auf die Klötze auf der gegnerischen Grundlinie und versuchen, sie umzuwerfen, ohne dabei den König zu treffen. Die umgeworfenen Klötze kommen nicht aus dem Spiel, sondern werden von der gerade beworfenen Mannschaft in die gegenüberliegende Spielhälfte geworfen und dort aufgestellt, wo sie gelandet sind. Bevor diese Mannschaft jetzt ihrerseits auf die Klötze der gegnerischen Grundlinie werfen darf, muss sie zuerst diese Klötze umlegen.

Beim Platzieren der Klötze, die einem gerade umgeworfen wurden, versucht man, diese so nah wie möglich in die gegnerischen Hälfte zu werfen, damit sie leichter zu treffen sind. Wenn man es außerdem schafft, dass die geworfenen Klötze einander treffen, werden diese aufeinander gestellt – eine weitere Erleichterung beim Treffen. Wenn eine Mannschaft es in ihrer Runde nicht geschafft hat, die wieder aufgestellten Klötze alle umzuwerfen, dürfen die Gegner das nächste Mal von Höhe des vordersten Klotzes in ihrer Hälfte werfen, anstatt von der Grundlinie.

Dieser Prozess, in dem die Klötze hin und her wandern ist unten in einer Skizze illustriert und kann sich recht lange hinziehen, je nach Geschicklichkeit der Mannschaften. Selbst wenn eine Mannschaft die Gegenseite fast geleert hat, kann sich das Blatt schnell wenden, wenn der Gegner eine glückliche Runde schafft und mehrere der näherstehenden umlegt. Wenn eine Mannschaft alle Klötze auf der Gegenseite getroffen hat, darf sie mit den übrigen Stöcken der gleichen Runde auf den König werfen. Fällt dieser, hat die werfende Mannschaft gewonnen.

Die Feinheiten der Regeln von Kubb weichen oft voneinander ab, aber es ist ja kein sehr ernstes Spiel, sondern lädt durch die Einfachheit und die beliebige Anzahl Spieler zum spontanen Spielen ein. Die Schnelligkeit lässt sich auch ganz einfach variieren, indem man die Grundlinien näher oder weiter voneinander aufbaut. Kubbspiele gibt es fertig zu kaufen, anstatt dieser wohlgeformten Klötze und Wurfstöcke kann man sich aus Holzresten aber auch recht einfach einen eigenen Satz basteln.

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Wort der Woche: Snus

Snus ist eine Art Kautabak, es wird aber nicht gekaut sondern sich unter die Oberlippe gesteckt. Das Nikotin geht dann über die Mundschleimhäute ins Blut und man sagt, dass der Effekt sehr stark sein kann. Damit das Nikotin schneller eindringen kann, sind dem Tabak Salze beigemischt und angeblich früher auch kleine Glassplitter. Snus gibt es in kleinen runden Dosen, die entweder kleine Päckchen enthalten, oder den losen feuchten Tabak, den man selbst portioniert.

Wenn man aufmerksam ist, erkennt man viele Menschen in Schweden, v.a. Männer, an einer ausgebeulten Oberlippe oder der runden Dose in der Gesäßtasche als Snusbenutzer. Snus ist nach dem europäischen Tabakgesetz eigentlich verboten, aber in Schweden eben noch so wichtig, dass es sich eine Sonderregelung erkämpft hat.

Die Frage nach der Gesundheitsgefährdung ist nicht einfach zu beantworten. Anders als beim Rauchen wird die Lunge ja nicht gefährdet, aber Snus steht im Verdacht Mund- und Halskrebs hervorzurufen und schädigt zumindest das Zahnfleisch. Neuere Meldungen (S) gehen aber eher dahin, dass das Krebsrisiko überschätzt wurde.

Wer mehr wissen möchte, lese den erstaunlich guten deutschen Wikipedia-Artikel Snus. Meine persönliche Meinung zu Snus: eklig.

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Wort der Woche: Jantelagen

Das Jantegesetz (lag = Gesetz) ist nach dem fiktiven Ort Jante benannt, der im Buch Ein Flüchtling kreuzt seine Spur des dänisch-norwegischem Schriftstellers Aksel Sandemose vorkommt. Das Buch von 1933 ist nicht nur Namensgeber, sondern das Jantelagen selbst wird darin erfunden und hat seitdem einen festen Platz in der skandinavischen Kultur. Es besteht aus mehreren Geboten:

  • Du sollst nicht glauben, dass du etwas bist.
  • Du sollst nicht glauben, dass du schlauer bist als wir.
  • Du sollst nicht glauben, dass du besser bist als wir.
  • Du sollst nicht glauben, dass du mehr weißt als wir.
  • Du sollst nicht glauben, dass du uns überlegen bist.
  • Du sollst nicht glauben, dass du zu etwas taugst.
  • Du sollst nicht über uns lachen.
  • Du sollst nicht glauben, dass sich jemand für dich interessiert.
  • Du sollst nicht glauben, dass du uns etwas beibringen kannst.

(Übersetzung von mir)

Im Alltag wird es oft vereinfacht im Sinne von Du bist nicht besser als alle anderen! gebraucht und die doch etwas depressiv lautenden Teile weggelassen. Das Jantelag spielt in der Mentalität der Menschen eine große Rolle, auch wenn es nicht immer bewusst mit diesem Begriff verknüft wird.

Zunächst einmal klingt es ja sympatisch, dass man sich selbst nicht für etwas besseres halten soll. Eine Ermahnung zur Bescheidenheit eben. Es hat in der positiven Bedeutung auch etwas mit lagom zu tun, dem Wort der Woche von vor zwei Wochen, das genau richtig bedeutet. Im Sprichwort lagom är bäst (genau richtig ist am besten) deutet sich aber schon an, wie das an sich bewundernswerte Prinzip, dass alle Menschen sozial gleich sind, sich ins Negative wenden kann.

Das geschieht dann, wenn der Wunsch, nicht herauszuragen, nicht nur auf sich selbst angewendet wird, sondern zur Norm wird, gegen die man nicht verstoßen darf. Die Tendenz, nicht aufzufallen, und alles, was nicht konform ist, misstrauisch zu beäugen, gibt es in der schwedischen Gesellschaft und trägt auch zum Gemeinschaftsgefühl der skandinavischen Länder bei. Ich habe das oben genannte Buch leider nicht gelesen, es ist aber meines Wissens satirisch gemeint und will aufzeigen, wie der einzelne von der Gemeinschaft, in der Konformismus als Ideal gilt, unterdrückt und an Selbstentfaltung gehindert wird.

Am besten tritt der Einfluss des Jantelag in Diskussionen zutage. Es ist generell unangemessen, laut zu reden oder das Gespräch an sich zu reißen. Es wird diskutiert bis zum Konsens und man merkt oft, dass Leute mit ihrer wirklichen Meinung nicht herausrücken. Denn wenn man auf seiner eigenen Meinung beharrt und sie vehement verteidigt, wirkt man nicht nur äusserst unhöflich, sondern bringt seine Gesprächspartner in Bedrängnis, weil ihnen diese Situation fremd ist. Solange man unsensibel für diese kleinen Unterschiede ist, die auch weniger ausgeprägt sind, wenn man nicht schwedisch spricht, kann es vorkommen, dass man ohne (nach deutschem Maßstab) harte Diskussion mit seiner Meinung Recht bekommt. In Wirklichkeit hat man allerdings seine Meinung lediglich den anderen aufgezwungen und das Jantelag hat verhindert, dass sie auf gleiche Weise antworten. Natürlich funktioniert es nicht auf Dauer, sich auf diese Weise durchzusetzen, sondern man wird gemieden und isoliert, wenn man es übertriebt.

Das Jantelag und der nahe damit verknüpfte Gleichheitsgedanke haben aber auch positive Seiten. Existierende Hierarchien treten beispielsweise weniger stark hervor. Der schwedische Sozial- und Fürsorgestaat hängt auch mit dieser Grundeinstellung zusammen. Obige Darstellung entspricht meiner Erfahrung, ich möchte aber betonen, dass es sich trotz allem um subtile Unterschiede handelt, die nur in gewissen Situationen auffällig werden.

Eine interessante Frage zum Schluss: Soll man sich als Einwanderer dem Jantelag unterwerfen und ein typischer Svensson werden? Zu einem gewissen Grad muss man dies wohl tun, denn sonst eckt man zu oft an. Dass Deutsche generell als laut und unhöflich gelten, kann man darauf zurückführen, dass sie das Jantelag oft missachten. Trotzdem wäre es nicht gut, als Einwanderer unglücklich zu werden, weil man sich eingeschränkt fühlt. Man muss sich des Jantelagen bewusst sein und, wie für alle Regeln, selbst entscheiden, wann man sie bricht und wann man es lässt.

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Wort der Woche: Valborg

Valborg ist der alte Name der heiligen Walburga, nach der auch die Walpurgisnacht benannt ist, die Nacht auf den 1. Mai. Diese, und auch der zugehörige Tag davor, wird in Schweden Valborgsmässoafton genannt, oder in der gebräuchlichen Kurzform einfach Valborg.

Heute ist Valborg, oder auch – schlicht nach dem Datum – sista April.

Im Allgemeinen ist das in Schweden kein großes Fest – es werden lediglich hie und da Maifeuer angezündet. In den Studentenstädten Uppsala und Lund hat sich am sista April aber eine recht spezielle Tradition entwickelt, die Valborg zweifelsohne zu einem der Höhepunkte des hiesigen Studentenlebens macht. Da auch der nichtstudentische Teil der Stadt auf der Straße ist, ist Valborg einer der lebendigsten Tage in Uppsala und man feiert in ausgelassener Stimmung den lange erwarteten Frühling. Im Folgenden will ich einen typischen Ablauf an Valborg nachzeichnen und mit Bildern aus den letzten Jahren illustrieren.

Nachtrag: Die Bilder von diesem Jahr sind jetzt auch online.

Es beginnt schon an den Tagen vorher mit den Vorbereitungen. Sofern man nicht am Bootsrennen oder einer anderen Aktivität teilnimmt, muss man zumindest vorsorglich seine Getränke kaufen. Denn auch wenn Valborg nicht wie dieses Jahr auf einen Sonntag fällt, hat der Systembolaget geschlossen, um sich vor anstürmenden Studentenmassen zu schützen. Desweiteren ist es ratsam, das Essen (s.u.) voher einzukaufen und die Kartoffeln zu kochen.

Der Tag an Valborg selbst zerfällt normalerweise in sechs Abschnitte: Sektfrühstück, Bootsrennen, Heringessen, Rektor beim Mütze aufsetzen zuschauen, Champagnegalopp in den Nationen und als Abschluss ein Grillfest oder beliebige andere Abendaktivität.

Sektfrühstück: Wie der Name schon sagt, beginnt der Tag schon mit Alkohol. Dazu meist die ersten Erdbeeren des Jahres oder andere Früchte und ein Magenfüller, z.B. viel Brot und Käse. Eine Tradition, die ich bisher immer ausgelassen habe, ist Haferbrei mit Whisky. Man trifft sich meist in einer Gruppe, entweder privat in den Studentenheimen oder bei schönem Wetter wie heute im Park zum Picknick.

Bootsrennen Bootsrennen: Ab 10 Uhr bewegt man sich Richtung Fyrisån, dem hiesigen Fluss, denn dort kann man bizarr gekleideten Studenten dabei zusehen, wie sie auf selbstgebastelten Booten den Fluss hinuntertreiben. Es gibt kleine Wasserfälle an zwei Stellen, an denen einige der meist aus Styropor bestehenden Boote in ihre Teile zerfallen. Die Besatzungen verhalten sich dem Thema ihres Bootes entspechend (siehe Bild) oder bekämpfen sich und die zahlreichen Zuschauer mit Wasserpistolen. Es werden nicht alle Boote gleichzeitig losgeschickt, sondern schön der Reihe nach, so dass das Spektakel bis nach zwölf Uhr dauert. Dieses Jahr dürfte es besondern witzig werden, weil der Fluss wegen der späten Schneeschmelze heuer viel mehr Wasser führt als üblich. Das macht nicht nur die kleinen Stromschnellen noch gemeiner, sondern auch den Platz unter der letzten Brücke wirklich niedrig. Spaß für die Zuschauer und viel Arbeit für die Taucher, die zur Sicherheit im Wasser ausharren, ist also vorprogrammiert.

BootsrennenHeringessen: Wenn man sich an den Booten sattgesehen oder erst gar keinen Platz am Ufer ergattert hat, begibt man sich an den Schlosshügel (_Slottsbacken_) oder nahegelegene Parks, wo man sich dicht gedrängt mit anderen Gruppen niederlässt und sein Picknick aufschlägt (siehe Bild). Wie auch schon während des Bootsrennens, trinkt man v.a. Bier um diese Zeit. Zum Mittagessen gibt es eingelegte Heringe (_Sill_) in verschiedenen Soßen und dazu die vorgekochten Pellkartoffeln. Zum Sillunch gehört auch notwendigerweise ein Glas schwedischer Snaps [1], dessen brennenden Geschmack man mit mehr Bier nachspült.

Mützeaufsetzen: Bis zum frühen Nachmittag harrt man dann vor Ort aus, denn dann findet das nächste Ereignis statt. Direkt neben den Schlosshügel liegt die Unibibliothek und die Straße führt geradewegs den Hügel hinauf auf das Gebäude zu. Um 15 Uhr kommt der Rektor der Uni auf den Balkon und gibt eine kurze, jedes Jahr identische Rede, bevor er seine Studentenmütze aufsetzt und Tausende von Menschen, die sich vor der Bibliothek versammelt haben, es ihm gleichtun. Für pathetisch Gestimmte sicherlich ein erhebender Anblick.

Champagnegalopp: Danach ist keine Zeit zu vertrödeln, denn jetzt ist Champagnegalopp. Das bedeutet nichts anderes, als dass man sich, um lange Wartezeiten in der Schlange zu vermeiden, auf dem schnellsten Weg in eine der Nationen [2] begibt. Dort trinkt man überteuerten billigen Sekt, trifft die Leute, die man den ganzen Tag verpasst hat und feiert bis zum frühen Abend. Wir gehen meist zu Uplands Nation, weil es dort einen sehr gemütlichen Garten zum draußensitzen gibt.

Abends: Ab 18 Uhr wird man aus den Nationen wieder hinausgeworfen, denn es muss die Party am Abend vorbereitet werden. Zu dieser Zeit scheiden sich die Wege und es gibt keine vorherrschende Aktivität für den Abend, aber umso mehr Möglichkeiten. Sehr populär sind Grillfeste rund um die Studentenviertel. Es soll auch vorkommen, dass man sich im Laufe des Tages etwas am Alkohol übernommen hat und deshalb abends nicht mehr gesellschaftsfähig ist, was allerdings auf schlechte Planung schließen lässt.

Zum Abschluss soll darauf hingewiesen sein, dass der eben beschriebene Ablauf zwar typisch ist, aber eben doch nur eine von mehreren Varianten. Ja, es wird viel Alkohol getrunken an Valborg, aber wie ich schon einmal erwähnt habe, ist es in der schwedischen Trinkkultur eher üblich, zu bestimmten Gelegenheiten viel zu trinken, als regelmäßig. Valborg markiert die Ankunft des Frühlings, nicht nur symbolisch, sondern auch insofern, dass jetzt wirklich mehr als nur die ersten Blumen blühen und auch Bäume sehr bald ausschlagen werden. Nach einem halben Jahr Winter ist das allemal ein Grund zu feiern!

[1] Natürlich ist das das gleiche Wort wie Schnaps, aber bei schwedischem Snaps handelt es sich um stark gewürzten Branntwein, auch Aquavit genannt.

[2] Nationen sind nach schwedischen Landstrichen aufgeteilte Studentenhäuser, historisch den Verbindungen in Deutschland nicht unähnlich, aber ohne politische Ausrichtung. Jeder, der in Uppsala studiert, ist Mitglied einer der 12 Nationen.

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Wort der Woche: Lagom

“Lagom” ist eines der wichtigsten schwedischen Wörter überhaupt und gleichzeitig eines der schwedischsten. Es bedeutet in etwa “angemessen” oder “genau richtig (viel)” und kommt meist im Zusammenhang mit Mengenangaben vor. Schweden sind oft maßvoll, wenn man ihnen etwas anbietet und wollen weder zu viel noch zu wenig – eben lagom viel.

“Lagom” als Antwort auf eine Frage zu bekommen, ist für den Frager natürlich nicht einfach und kann sehr frustrierend sein. Schließlich ist es letztenendes eine inhaltslose Anwort, denn wenn der Frager wüsste, was der Gefragte für angemessen hält, bräuchte er nicht zu fragen.

Das Wort ist eine alte Dativ-Form (heute gibt es keine Kasus mehr im Schwedischen) von “Lag”, das sowohl “Gesetz” als auch “Mannschaft” oder “Gemeinschaft” bedeutet. Eine ursprünglichere Überzetzung wäre demnach “für die Gemeinschaft”, also soviel, dass es für alle reicht und damit gut für die Gemeinschaft ist. Eine volkstümliche nicht ganz korrekte Erklärung der Herkunft von “lagom” behauptet, es käme aus der Zeit, wo alle im Saal aus dem selben Krug tranken und aus dem selben Topf aßen, so dass es angemessen war, soviel zu nehmen, dass es für eine Runde reicht. Es wird also die Dativendung ”-om” mit der Präposition “om” (zu deutsch “herum”) verwechselt, aber es läuft natürlich auf die gleiche Bedeutung hinaus, in der es ja auch heute noch verwendet wird.

Wenn man will, kann hinter “lagom” auch einen sozialistischen Grundgedanken vermuten, es spiegelt nämlich eine gewisse Einstellung wider, dass “lagom”, also das Mittelmaß, das nicht aus der Norm ausbricht, als durchweg positiv empfunden wird. Es ist natürlich grob pauschalisiert, aber ich habe beobachtet, dass Schweden generell weniger darauf aus sind, sich von der Masse abzuheben, als beispielsweise Deutsche. “Lagom” ist die sprachliche Personifikation der Lebensphilosophie, damit glücklich zu sein, dass man nicht besser ist oder mehr hat als der Nachbar.

Hierin ergibt sich auch der Zusammenhang mit dem Jantelagen, über das ich in zwei Wochen an dieser Stelle schreiben werde. Nächste Woche ist nämlich Valborg. Das “Wort der Woche” auf Fiket.de erscheint übrigens jeden Sonntag kurz nach 10 Uhr.

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