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Wort der Woche: Utspel

Utspel setzt sich aus der Vorsilbe ut (“aus-, heraus-”) und spel (“Spiel”) zusammen. Es bezeichnet das Ausspielen der ersten Karte beim Kartenspiel, wird aber meist im übertragenen Sinn verwendet, für den mir spontan keine bessere Übersetzung einfällt als “unerwartetes Manöver”.

Im besonderen werden im Wahlkampf – in gut vier Wochen wird in Schweden gewählt – die vielen Wortmeldungen von Politkern Utspel genannt. Es ist nämlich üblich, dass Zeitungen Texte der Parteien und einzelner Politiker, in denen sie ein Vorhaben oder ihre Meinung zu einem Thema darlegen, unkommentiert auf ihrer Debatten-Seite abdrucken, um sie dann meist erst am nächsten Tag in den Leitartikeln zu kommentieren oder über Reaktionen der Gegenseite zu berichten. Und so prasseln zur Zeit täglich mehrere solcher “Ausspiele” auf die Bürger ein, die sich diese selbst zu einem Gesamtbild zusammenfügen müssen, das dann hoffentlich zur richtigen Wahlentscheidung führt.

Ein paar Beispiele für Utspel aus den letzten Wochen:

  • Der Sozialdemokrat Bodström will drei Polizei- und Geheimdienste zu einer “Superpolizei” gegen organisierte Kiminalität zusammenlegen.
  • Integrationsministerin Sabuni will neuen Asylbewerbern die Urlaubstage und den Lohn kürzen, um sie schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
  • Beide Blöcke wollen Rentner mit niedrigeren Steuern ködern und das Argument ist, dass durch den Jobbskatteavdrag (siehe WdW: Skatt) Arbeitnehmer weniger Steuern zahlen als Rentner. Ein parteiunabhängiges Utspel von Volkswirtschaftlern rechnet dagegen vor, dass dieses Raisonnement eigentlich Blödsinn ist.
  • Die Stockholmer Sozialdemokraten wollen mehr alltägliche Dienstleistungen in die U-Bahn-Stationen integrieren.
  • Die liberale Folkspartei mit Chef Björklund widmet sich wie immer besonders den Schulen und will strengere Regeln für Privatschulen und die Eltern von störenden Schülern ins Klassenzimmer holen.
  • Die Christdemokraten wollen das Gesundheitssystem sicherer machen.
  • Die Zentrumspartei will weniger Macht für die Gewerkschaften.
  • und gegen weitere Privatisierungen wettern die Sozialdemokraten.

Die Liste ließe sich beliebig fortführen und es ist deshalb nicht schwer nachzuvollziehen, dass Wähler der ständigen Utspel überdrüssig werden. Die Medien haben alle Hände voll zu tun, die Wahlversprechen alle zusammenzustellen, was wiederum auch damit zu tun hat, dass der Wahlkampf erst jetzt wirklich eröffnet wird und die Parteien ihre kompletten Manifeste noch nicht veröffentlicht haben.

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Wort der Woche: Varg

Varg (gesprochen: warj) ist das schwedische Wort für den Wolf. Das Verhältnis der Schweden zu diesem Tier ist hochaktuell und hat in den letzten Monaten sowohl meterweise Zeitungsspalten gefüllt, als auch zu zahllosen lebhaften Diskussionen geführt. Anlass ist, dass zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Wölfe gejagt werden.

Doch der Reihe nach. Wölfe gab es geschichtlich schon immer in Schweden. Über die Jahrhunderte musste man seine Haustiere vor ihnen schützen, konkurrierte mit ihnen um andere Wildtiere und jagte sie als “Schädlinge”. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde man so gut darin, dass man Wölfe in Südschweden ausrottete. 1900 gab es nur noch um die 100 Tiere im Land und 1965, als man das “Kopfgeld” gegen gesetzlichen Schutz vor der Ausrottung eintauschte, nur noch etwa 10 Tiere. Seitdem versucht man einerseits, eine auf Dauer haltbare Wolfspopulation aufzubauen, und andererseits die Akzeptanz unter Schweden zu erhöhen.

Beides ist nicht einfach. Die Angst vor dem Wolf sitzt tief, wenn auch völlig unbegründet: Ein einziger Fall ist in Schweden bekannt, in dem ein Wolf einen Menschen getötet hat. Das war 1821 und der Wolf war in Gefangenschaft aufgewachsen. Unfälle mit Braunbären sind viel häufiger, deren Wahrnehmung ist jedoch eher vom Teddy-Bären geprägt denn vom Inbegriff des Bösen in volkstümlichen Geschichten und Märchen. Schwedens gefährlichste Tiere sind Wespen und Kreuzottern. Außerdem Elche – durch die zahlreichen Verkehrsunfälle.

Die Wolfspopulation wieder aufzupäppeln stieß auf vielerlei Schwierigkeiten. Zum einen basiert sie auf so wenigen Individen, dass Inzucht ein Problem ist. Die allermeisten schwedischen Wölfe sind stärker miteinander verwandt als Vollgeschwister. Einwanderung von Osten her über Finnland wird durch illegale Jagd erschwert. Die Rentier-Züchter im Norden haben ein Problem mit Wölfen, denn die seit etwa hundert Jahren (dank der faktischen Ausrottung der Raubtiere) mögliche Tierhaltung auf großen ungeschützten Flächen wird von den Samen vehement als “traditionell” verteidigt. Dass noch bis Ende des 19. Jahrhunderts stattdessen die Jagd auf wilde Rentiere Alltag war, wird bei der Diskussion um die Vorrechte der schwedischen Urbevölkerung oft unterschlagen.

Jedenfalls scheint unter mindestens einem Teil der Jäger und Waffenbesitzer das Motto sjkut, gräv och tig! (schieß, vergrab und schweig!) zu gelten, wenn es um Wölfe geht, und manche Wolfsspur im Schnee endet plötzlich auf der schwedischen Seite der Grenze zu Finnland. Etwa ein Zehntel der Wölfe wird jedes Jahr gewildert und es ist jedes Mal eine landesweite Nachricht wert, wenn ein Übeltäter erwischt wird.

Nichtsdestotrotz wurde letztes Jahr das vom Reichstag beschlossene Ziel erreicht, zweihundert Wölfe mit zwanzig Würfen in Schweden zu haben. Diese leben vorrangig nicht im nördlichen, sondern in Mittelschweden mit Konzentrationen in Värmland und Dalarna. Sogar ins Stockholmer Umland ist vor nicht allzu langer Zeit ein Pärchen gezogen.

Die Debatte, ob 200 Wölfe viel zu viel oder viel zu wenig sind, wie man Haustiere (v.a. Schafsherden) am besten schützt und wie man entstandene Schäden mit Steuergeldern ersetzen soll, ist andauernd und die Meinungen gehen stark auseinander. Von Forscherseite sieht man kein Problem mit ein paar tausend Wölfen und verweist auf Osteuropa, wo das ohne groß Aufhebens funktioniert. Die starke Lobby der Jäger bestärkt dagegen regelmäßig das Klischee der Schießwütigkeit; man möchte so gerne Wölfe schießen und sie außerdem schon gar nicht den Jagdbedarf an anderem Wild dezimieren lassen.

Verhärtet werden die Fronten in der Wolfsfrage zusätzlich dadurch, dass sie die Stadt- und die Landbevölkerung teilt. Schweden ist sehr urbanisiert und Umweltschutz ein wichtiges Thema. Die Zustimmung zu mehr Wölfen ist bei Stadtbewohnern größer als auf dem Land, von wo man das Argument hört, dass Städter ja leicht reden haben, sie aber nicht mit Wölfen vor der Haustüre leben müssten. Das Gegenargument, dass man seinen Wohnort den eigenen Vorlieben anpassen kann (wer Stadtlärm nicht mag, zieht aufs Land; wer irrationale Angst vor Wölfen hat, sollte vielleicht nicht in Värmland wohnen), wird dennoch von vielen als zynisch gesehen.

Weil das 200-Wölfe-Ziel überschritten war und um die Akzeptanz zu erhöhen, hatte die zuständige Behörde für diesen Winter 27 Wölfe zum Abschuss freigegeben. Das ist die erste legale Jagd auf Wölfe seit 45 Jahren. 4500 (!) Jäger meldeten sich dafür an und dementsprechend war die Quote nach zwei Tagen erfüllt und die Jagd vorbei. Doch sie war Öl ins Feuer der öffentlichen Diskussion. Die Rechtfertigung von Umweltminister Carlgren, dass die Jagd gut für die von Inzucht geschädigte Population sei, wurde mehrfach widerlegt. Zum einen von Forschern, die darlegen, dass mehr eingewanderte Wölfe der einzig gangbare Weg sind; zum anderen durch die Untersuchung der geschossenen Wölfe, die sich als völlig gesund erwiesen. Außerdem gab es keinerlei Vorgaben, die Nachkommen der wenigen Neuankömmlinge (die es durch Norrland nach Mittelschweden geschafft haben) von der Jagd auszunehmen. Dass keine von diesen “genetisch wertvolleren” Tieren geschossen wurden, war Zufall. Kritik an der Jagd kam zusätzlich von so gut wie allen nationalen und internationalen Naturschutzorganisationen: Schweden hat schließlich die Jagd auf eine bedrohte Tierart erlaubt.

Wie geht es nach dem Proteststurm weiter? Über eine Fortsetzung der Jagd ist noch nicht entschieden, aus dem Umweltministerium hört man jedoch, dass eine Voraussetzung der (künstlich verursachte) Zuzug von 20 Wölfen ist, um “frisches Blut” in den Wolfsstamm zu bringen und ihn damit robuster zu machen. Dies soll schon kommenden Winter geschehen. Vielleicht war es berechnende Taktik, mit der Jagd den Widerstand gegen mehr neue Wölfe bei der starken Jäger-Lobby aufzuweichen und ihnen durch den begleitenden Proteststurm gleichzeitig klarzumachen, wie viele Menschen mehr Wölfe in Schweden für eine gute Sache halten.

Die Öffentlichkeit hält jedenfalls ein wachsames Auge auf das Thema und es wird auch in kommenden Jahren nicht als medialer Dauerbrenner verebben.

Links und Quellen zum Thema: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19.

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Wort der Woche: Rasrisk

Rasrisk

Wovor warnt dieses Schild?

Rasrisk besteht aus ras und risk, wobei letzteres, unschwer zu erraten, “Risiko” bedeutet. Ras kann zweierlei sein: “Rasse” oder “Sturz, Einsturz, Lawine”. Was gemeint ist, kann man entweder am grammatikalischen Geschlecht des Wortes erkennen oder muss es sich – wie hier, wo man dieses nicht sieht – aus dem Zusammenhang ableiten.

Zur Zeit wird in Stockholm selbstverständlich nicht an jedem zweiten Haus vor einem “Rassenrisiko” gewarnt, sondern vor herabfallendem Eis und Schnee.

Eiszapfen Mit Minusgraden seit Mitte Dezember und regelmäßig mehr Schnee fällt so einiges von den Dächern der Stadt und ich bin erst heute wieder von einem Passanten angesprochen worden, weil er fand, ich ginge zu nah an der Hauswand. Ihn habe erst dieser Tage ein Eiszapfen an der Jacke gestreift.

An bekannten Stellen werden Schilder wie das obige aufgestellt und teilweise auch der halbe Bürgersteig abgesperrt. Außerdem gibt es den Beruf des Takskottare, dessen Aufgabe ist, auf Dächern Schnee zu schippen, um das Herabfallen kontrolliert zu verursachen. Wer meint, ein potentiell gefährliches Dach entdeckt zu haben, kann die Eiszapfen-Hotline anrufen, die dann den Hausbesitzer dazu auffordert, Takskottare anzuheuern. Firmen in dieser Branche haben diesen Winter Hochkonjunktur.

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Wort der Woche: Julpost

Jul ist schwedisch für “Weihnachten” und post ist “Post”. Weihnachtspost wird, wenn man will, in Schweden gesondert behandelt. Man kann nämlich so genannte Julfrimärken (frimärke = Briefmarke) kaufen, die etwas billiger sind als das übliche Porto. Briefe mit diesen Marken wirft man dann in die eigens aufgestellten roten Weihnachtsbriefkästen und es wird garantiert, dass sie noch vor Heiligabend ankommen. Letzten Freitag war der Stichtag für die Julpost und die roten Briefkästen sind schon wieder abgebaut.

Frühere Worte der Woche mit Weihnachtsbezug: Dopparedan, Lucia-Katen, Julbock, Tjugondag Knut, Julrim, Julkalendern, Årets Julkapp.

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Wort der Woche: Årets julklapp

Årets julklapp bedeutet “das Weihnachtsgeschenk des Jahres”. Das ist ein Titel, den das Handelns utredningsinstitut (in etwa: “Institut für Einzelhandelsforschung”) seit 1988 jährlich vergibt. Man versucht dabei, etwas aktuelles und zeitgemäßes zu finden, das sich aller Voraussicht nach im Weihnachtsgeschäft gut verkaufen wird. Die Auszeichnung ist unter Schweden gut bekannt und es wird gerne diskutiert, ob die jeweils aktuelle Wahl eine gute oder schlechte ist.

Das “Weihnachtsgeschenk des Jahres” für 2009 ist Lesern dieses Blogs schon bekannt, denn es ist die Spikmatta. Die populäre Plastik-Utensilie ist zweifelsohne “zeitgemäß” und damit eine passende Wahl. Doch durch die unhaltbaren Behauptungen zur heilenden Wirkung derselben ist die Matte halb in der Esoterik-Ecke angesiedelt – wofür man nun wirklich nicht noch mehr Werbung machen sollte.

Zum Thema siehe auch Radio Schweden. Und nach dem Klick gibt es die gesamte Liste der Årets julklapp seit 1988.

  • 2009: Spikmatta
  • 2008: ein Erlebnis (Im Rahmen der Wirtschaftskrise wollte man die Kaufkraft auf Dienstleistungen innerhalb Schwedens lenken anstatt auf Importprodukte. Es wurden also Theater-, Kino- und sonstige Eintrittskarten empfohlen:)
  • 2007: ein GPS-Empfänger
  • 2006: ein Audio-Buch
  • 2005: ein Pokerset
  • 2004: ein Flach-Fernseher
  • 2003: eine Mütze
  • 2002: ein Kochbuch
  • 2001: Werkzeug
  • 2000: ein DVD-Player
  • 1999: Bücher
  • 1998: Computerspiele
  • 1997: elektronische Haustiere, z.B. Tamagotchi
  • 1996: ein Internetpaket
  • 1995: eine CD
  • 1994: ein Handy
  • 1993: Parfum
  • 1992: eine Spielkonsole
  • 1991: ein CD-Player
  • 1990: ein Wok
  • 1989: eine Videokamera
  • 1988: ein Backautomat Quelle: [Wikipedia](http://sv.wikipedia.org/wiki/%C3%85rets_julklapp)
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Wort der Woche: Blodpudding

Zu den Prinzipien der Hausmannskost gehört immer, dass alles Essbare, das sich am geschlachteten Tier finden lässt, auch verwendet wird – auch das Blut. Im südlichsten Schweden wird aus letzterem wie in Deutschland Blutwurst gemacht. Im restlichen Schweden ist dagegen der “Blutpudding” gebräuchlicher.

Dabei wird das Blut mit Roggenmehl, Milch, Speck/Fett und Sirup vermischt und mit Majoran, Pfeffer und Zwiebeln gewürzt. Der Teig wird dann in einer Form im Wasserbad gebacken, bis er fest ist und die typische dunkelrot-braune Farbe erhält und einige Zeit haltbar ist. Das Rezept war überall ein wenig anders, aber heute macht kaum noch jemand selbst Blodpudding, sondern man kauft industriell gefertigten. Dieser ist durchaus eine beliebte Speise, weil billig, nahrhaft und schnell zuzubereiten. Man findet ihn in jedem schwedischen Supermarkt.

Man isst den Blodpudding nicht kalt, sondern schneidet den Klumpen in Scheiben, die man in der Pfanne anbrät. Je nach Geschmack kann man ihn innen saftig und rot belassen oder so weit durchbraten, dass man vergisst, dass es sich um Blut handelt. Schweden sind natürlich auch so weit von der Bauerngesellschaft entfernt, dass Blut essen nicht jedermanns Sache ist. Die üblichsten Beilagen sind knusprig gebratener Speck und Preiselbeeren, doch es gibt allerlei Varianten. Auch Äpfel oder Kartoffeln und Kohl passen zum Blodpudding.

Im Restaurant wird man Blutpudding nur sehr selten antreffen. Wer ihn also noch nicht probiert hat, dem sei beim nächsten Schwedenaufenthalt der Zugang zu einer Pfanne empfohlen. Mir schmeckt er jedenfalls – aber ich bin ja auch “vom Land” und mit frischer Blutwurst aufgewachsen.

Zum Abschluss noch der Link zur Bildersuche für den optischen Eindruck.

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Wort der Woche: Klockren

Klockren ist ein häufig verwendetes Wort, wenn man etwas gut findet und seinen Beifall ausdrücken möchte – etwa wie “Toll!”, “Astrein!” oder “Fantastisch!” im Deutschen.

Klockren ist gleich Klocka (“Uhr”) plus Ren (“Rentier”), wie die Seite www.klockren.nu sehr schön illustriert.

Oder auch nicht. Beide Worte haben nämlich jeweils noch eine weitere Bedeutung: Klocka ist auch die “Glocke” und ren bedeutet “sauber”, “rein”. Klockren ist also nichts weiter als Schwedisch für “glockenrein”. Während dies im Deutschen nur im Zusammenhang mit Gesang verwendet wird, hat es im Schwedischen die gleiche umgangssprachliche und weit übertrage Bedeutung bekommen, wie “astrein” im Deutschen.

Dass man daraus etwas über die Mentalität der beiden Völker ableiten kann (Klänge begeistern in Schweden, Holz in Deutschland?), glaube ich jedoch nicht.

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Wort der Woche: Dagen H

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Dagen H, der “Tag H”, war der Tag, an dem Schweden seine Straßen auf Rechtsverkehr umstellte. Das geschah am 3. September 1967, also vor nicht viel mehr als 40 Jahren. Das H kommt vom schwedischen Wort für “rechts”, höger. Das Logo (siehe Bild) greift den Buchstaben auf und veranschaulicht, was zu tun war.

Die erste Rechtsverkehrverordnung wurde in Schweden bereits 1718 erlassen. Schon 1734 wurde sie jedoch durch eine neue ersetzt, die den Linksverkehr festsetzte.

Mit dem Aufkommen des Automobils erhob sich die Forderung einer Anpassung an das Verkehrssystem, welches das dominierende des westeuropäischen Kontinents und der nordischen Nachbarn war. Auch die Verkehrssicherheit war ein Grund, zum Rechtsverkehr überzugehen. Die Autos in Schweden hatten das Lenkrad wie heute auf der linken Seite, wodurch sicheres Überholen erschwert war. Sogar die importierten britischen Wagen waren für den Rechtsverkehr gebaut.

1955 wurde eine beratende Volksabstimmung durchgeführt. Sie zeigte, dass mit 82,9 % eine überwältigende Mehrheit der Abstimmenden den Linksverkehr beibehalten wollte, während lediglich 15,5 % zum Rechtsverkehr übergehen wollten. Trotz des Ergebnisses beschloss der Reichstag am 10. Mai 1963 den Übergang Schwedens zum Rechtsverkehr für das Jahr 1967.

Vier Stunden vor der Umstellung und eine Stunde danach war jeglicher privater Autoverkehr untersagt – in einigen Städten sogar für 24 Stunden. In dieser Zeit wurden alle Verkehrszeichen für den Rechtsverkehr umgesetzt. Dabei kamen viele freiwillige Helfer, aber auch Mitglieder von Einsatzorganisationen und Wehrdienstleistende zum Einsatz. Die Höchstgeschwindigkeit in Orten wurde um 10 km/h auf 40 km/h herabgesetzt, im Laufe eines Monats aber allmählich wieder auf das alte Niveau angehoben.

Um 4:45 Uhr am Sonntagmorgen des 3. September mussten sämtliche Fahrzeuge auf der linken Straßenseite anhalten. Nach einem kurzen Stopp wechselten sie vorsichtig die Straßenseite und warteten dort bis 5 Uhr. Die genaue Zeit wurde über Radio landesweit bekannt gegeben. Danach fuhren sie auf der rechten Seite weiter.

Die Stockholmer U-Bahn fährt bis heute weiterhin im Linksverkehr, wie auch der übrige schwedische Schienenverkehr, mit Ausnahme von Straßenbahnen. Weil sich diese am restlichen Verkehr orientieren müssen, wurden viele alten Straßenbahnen in Schweden eingestellt.


Obiger Text ist zu großen Teilen eine gekürzte und angepasste Version des entsprechenden Wikipedia-Artikels und deshalb unter derselben Lizenz wie dieser wiederverwertbar.

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Wort der Woche: Spikmatta

Spik ist schwedisch für “Nagel”; eine Matta ist ein “Teppich”. Eine Spikmatta dementsprechend ein “Nagelteppich”, auch “Fakirbett” oder “Nagelbrett” genannt.

Was daran schwedisch sein soll? Folgendes. Spikmattor waren dieses Jahr ein echter Verkaufsschlager in Schweden. Allein ein Anbieter hat 150.000 Stück abgesetzt und es gibt zahlreiche Kopien, so dass sich in etwa jedem zehnten Haushalt eine solche finden dürfte.

Es handelt sich dabei nicht um die “klassische” Variante aus Holzbrett mit Eisennägeln, sondern um ein dünnes Polster in Rückengröße, das mit spitzen Noppen aus Hartplastik bestückt ist. Google findet zahlreiche Bilder.

Bemerkenswert ist der stolze Preis von umgerechnet 50 Euro für dieses simple Produkt. In gewisser Weise löst die Spikmatta damit die Foppatofflor als überteuertes Mode-Plastikprodukt ab.

Neben dem Preis gerieten die Nagel-Matten vor allem durch irreführende Werbung in die Kritik. Da wird behauptet, dass das Liegen auf der Matte gegen alles mögliche hilft, von Schlafstörungen über Migräne bis zu Lungenkrankheiten. Gestützt wird das nur auf individuelle Aussagen und keine wissenschaftliche Untersuchung hat einen positiven Effekt gezeigt. Damit gehört die Spikmatta genauso wie Homöopathie ins Reich der Quacksalberei.

Nichtsdestotrotz scheinen viele die “Anwendung” zu genießen und der Erfolg ist nicht zuletzt durch positive Mundpropaganda zustande gekommen.

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Wort der Woche: Meddelarfrihet

Meddela setzt sich aus med (“mit”) und dela (“teilen”) zusammen und bedeutet dementsprechend “mitteilen”. Frihet ist das schwedische Wort für “Freiheit”. Die “Mitteilungsfreiheit” steht in einem der schwedischen Grundgesetze, der “Druckfreiheitsverordnung”. Neben dem Öffentlichkeitsprinzip ist sie eines der Gesetze, die für eine transparentere Gesellschaft n Schweden sorgen und auf die man andernorts zu Recht neidisch sein darf.

Während das Öffentlichkeitsprinzip Außenstehenden Einblick in die schwedischen Behörden gibt, sorgt die Mitteilungsfreiheit dafür, dass Insider getrost Information an die Presse oder Buchautoren geben können. Whistleblower werden ermutigt und vor negativen Konsequenzen geschützt. Etwas mehr im Detail besagt die Mitteilungsfreiheit unter anderem,

  • dass jeder das Recht hat, Informationen zum Zweck der Veröffentlichung herauszugeben, sowohl aus Behörden als auch Firmen.
  • dass das Thema keine Rolle spielt. Es besteht sogar Straffreiheit, wenn man gegen Geheimhaltungsvorschriften verstößt (solange man keinen Hochverrat, Spionage etc. begeht).
  • dass der Informant anonym bleiben darf, wenn gewünscht. Der Bruch der Anonymität ist strafbar.
  • dass Behörden nicht nachforschen dürfen, wer der Whistleblower war.

Mit diesen Regeln ist es nicht schwer nachzuvollziehen, dass alle Nase lang prekäre Informationen an die schwedische Öffentlichkeit gelangen. Es ist wohl kein Zufall, dass Schweden das Land der Welt mit der niedrigsten Korruption ist.

Ein aktuelles Beispiel hat sich dieser Tage auf Gotland zugetragen. Die oberste Regionalpolitikerin (landshövding) dort, Marianne Samuelsson, hatte Mitarbeiter angewiesen, ein Auge bei Baugenehmigungen zuzudrücken, als es um lokal wichtige Unternehmer ging. Eine Mitarbeiterin hat das Gespräch aufgenommen und dem schwedischen Radio zugespielt, was an sich schon Schlagzeilen machte. Mit der Gleichbehandlung nehmen es Schweden nämlich sehr genau. Samuelsson hätte den Skandal vielleicht aussitzen können, aber als sie sich öffentlich in der Opferrolle gegenüber der böswilligen Mitarbeiterin darstellte, war das Maß voll und sie wurde prompt von der Regierung gefeuert. Der Mitteilungsschutz ist heilig und Whistleblower, ungeachtet derer eigenen Motive, anzugreifen ein unpopulärer Zug.

Mit diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass ein wiederkehrender Kritikpunkt Schwedens an der EU der ist, dass dort Amtsgeheimnis anstatt Offenheit herrschen. Eine Initiative der Grünen, die Mittelungsfreiheit nach Europa zu exportieren findet man auf meddelarfrihet.nu.

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