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Wort der Woche: EPA-traktor

Sehr oft sieht man sie nicht auf den schwedischen Straßen, meist nur auf Nebenstrecken. Autos, die schon noch an Autos erinnern, aber signifikant umgebaut sind. Obwohl optisch aufgemotzt, schleichen sie mit 30 km/h die Straßen entlang, die EPA-traktorer.

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Das Wort kommt vom ehemaligen Enhetsprisaktiebolaget, kurz EPA, einer schwedischen Warenhauskette, die für billige und qualitativ einfache Waren bekannt war und heute in Åhléns aufgegangen ist. Ein EPA-traktor ist also ein billiger und einfacher Traktor im Eigenbau. In den Jahrzehnten während und nach dem zweiten Weltkrieg gab es Bedarf dafür, alte Autos und Lastkraftwagen als Landwirtschaftsmaschinen zu verwerten. Um die Zulassung als EPA-Traktor zu erhalten, wurden die höheren Gänge im Getriebe gesperrt und damit die Höchstgeschwindigkeit begrenzt.

Mitte der Siebziger wollte man die Neuzulassung von EPA-Traktoren verbieten, aufgrund lauter Proteste wurde jedoch ein Nachfolger geschaffen: der arbetstraktor, kurz A-traktor. Die Bezeichnung EPA-traktor ist aber immer noch die geläufigere.

Die wichtigsten Bestimmungen für ein solches Gefährt sind, dass es ein Serienauto gewesen sein muss und so umgebaut wurde, dass es offensichtlich nicht mehr zum Transport von Personen oder Material gedacht ist. Damit ist unter anderem gemeint, dass die Fahrzeugkabine auf eine Sitzreihe verkürzt werden muss. Weil die Verwendung als Zugmaschine vorgesehen ist, ist eine Anhängevorrichtung ebenso Pflicht wie die permanente Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h.

Es ist die Tatsache, dass man EPA-Traktoren schon ab 16 Jahren fahren darf, die dafür sorgt, dass es sie immer noch gibt. Gerade Jugendliche vom Land, so sagt man, basteln gern an ihren “Traktoren”, die äußerlich eher selten an das erinnern, was man sich unter einem Traktor vorstellt. Beliebte Motive sind

  • [wie Rennwagen aussehende Pickups](http://members.fortunecity.com/bellin/0a6c2100.jpg). Es geht also meist um das Ausleben der pubertären Faszination am Auto und man kann sich ein Kichern nicht verkneifen, wenn man einem EPA-Traktor auf der Straße begegnet. Quellen: [hier](http://sv.wikipedia.org/wiki/A-traktor), [hier](http://sv.wikipedia.org/wiki/EPA-traktor), [hier](http://www.bilprovningen.se/externt/bpweb.nsf/c377abcde387c4aec125689c003bd53e/125e0505c97b6a62c1256f64004a8991!OpenDocument) und [hier](http://images.google.com/images?svnum=10&um=1&hl=en&safe=off&q=EPA-traktor&btnG=Search+Images). *Nachtrag, 2.7.07:* Bild oben eingefügt.
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Wort der Woche: Friggebod

Mit friggebod bezeichnet man im Schwedischen ein Schuppen, ein kleines Häuschen oder auch nur einen überdachten, oft pavillonähnlichen Platz zum Draußensitzen. Charakteristisches Merkmal eines Friggebod ist, dass er weniger als 10 Quadratmeter Grundfläche hat und unter 3 Meter hoch ist. Bis zu diesen Maßen braucht man in Schweden nämlich keine Baugenehmigung.

Der Name kommt von Birgit Friggebo, die 1979 als schwedische Wohnungsministerin von der Folkpartiet eben diese Regelung einführte. Jetzt muss man nur noch wissen, dass “Schuppen” auf Schwedisch bod (sprich: buhd) heißt, um den Witz hinter der naheliegenden Wortneuschöpfung von Friggebo-bod zu Friggebod zu verstehen. Es gibt wohl schlechtere Arten, seinen Namen verewigt zu bekommen.

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Wort der Woche: Kalabalik

Kalabalik hat nichts mit Leichen (schw. lik) zu tun, sondern ist ein Lehnwort aus dem Türkischen und bedeutet Unordnung, Chaos, Verwirrung. Einzug ins Schwedische hat das Wort durch Kalabaliken i Bender gehalten.

Was war in Bender, dem heutigen Tighina in Moldavien, passiert? Wie letzte Woche erwähnt, wurde der schwedische König Karl XII. bei seinem Versuch, Russland zu erobern, 1709 in Poltava vernichtend geschlagen. Mit seinen knapp 2000 Mann floh er nach Bender, das zu der Zeit zum Osmanischen Reich gehörte, und er wurde gebührend empfangen.

Sein Ziel war es, dort einen Krieg gegen Russland anzuzetteln, was ihm auch kurzzeitig gelang. Karl XII. und seine Gefolgschaft lebten fürstlich in Bender für mehrere Jahre und er hatte einigen Einfluss im Reich. 1713 wurde er den Türken teuer und lästig und nach beiderseitigen Intrigen wurde er in der Kalabaliken i Bender angegriffen und gefangen genommen. Es sollte bis zum Herbst des folgenden Jahres dauern, bis Karl XII. in einem Gewaltritt durch Europa, verkleidet und mit wenigen Vertrauen, ins damals noch schwedische Stralsund floh.

Die langen Jahre der Abwesenheit wurden von den Nachbarn – darunter Sachsen, Preußen und natürlich Russland, das jetzt auch Finland eroberte – gut genutzt, um weitere Gebiete vom Großreich Schweden abzuzweigen. Es dauerte dann nicht mehr lange, bis Schweden auf das Kernland reduziert und die Großmachtstellung endgültig vorbei war.

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Wort der Woche: Poltava

Poltava ist nicht wirklich ein schwedisches Wort, sondern eine Stadt in der Ukraine, gut 300 Kilometer südöstlich von Kiev. Die Verbindung zu Schweden liegt 300 Jahre zurück, als der junge schwedische König Karl XII. auf die Idee kam, Rußland zu erobern. Zu dieser Zeit war Schweden eine Großmacht im Ostseeraum. Die Schlacht von Poltava im Jahre 1709 markiert den Wendepunkt des Krieges zugunsten Russlands, an dessen Ende Schweden keine Großmacht mehr war.

Für die Geschichte Osteuropas ist die Schlacht ein wichtiges Ereignis, begründete sie doch unter anderem die jahrhundertelange Herrschaft Russlands über das Gebiet der heutigen Ukraine. “Wie ein Schwede bei Poltava” ist dort noch heute sprichwörtlich für Hilflosigkeit. Wer die Geschichte des stümperhaften Karl XII. in Osteuropa genauer wissen möchte, dem seien die Wikipedia-Artikel zum großen nordischen Krieg und natürlich zur Schlacht von Poltava selbst ans Herz gelegt.

Heute verehren Nationalisten Karl XII. als “Kriegerkönig”, andere nennen ihn schlicht einen Verlierer. Neue Ausgrabungen mit schwedischer Beteiligung sollen diesen Sommer auf dem Schlachtfeld von Poltava beginnen und mehr Licht auf die größte militärische Niederlage der schwedischen Geschichte werfen.

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Wort der Woche: Progg

Progg ist der schwedische Vorläufer des Punk. Progg ist der Beweis, dass Schweden in den Siebzigern cooler war als Deutschland. Progg ist politisch. Progg ist links. Progg ist tot. Progg lebt. Progg ist musikalisch anspruchslos. Progg ist alternativ. Progg ist zeitlos. Alles Aussagen, die gleichzeitig zutreffen und falsch sind – zumindest jedoch eine unzureichende Beschreibung abliefern.

Es geht also um Musik. Das Wort kommt sprachlich zwar von “progressiv”, progg hat aber nur wenig mit dem Musikgenre progressive rock zu tun. Progg ist nicht einmal ein einheitliches Genre, sondern eine schwedische Musikbewegung der 70er Jahre, die viele Stile umfasst. Die Bandbreite reicht von Folkmusik über vorwiegend instrumentalen Rock bis zu Blues.

In den Sechzigern war es wohl recht schwer für schwedische Bands, Plattenverträge zu bekommen, wenn sie andere Musik machten als die Labels für Hitverdächtig hielten. Gegen Ende des Jahrzehnts bildete sich also ein alternative Szene mit eigenen Plattenlabels, die in den Siebzigern ihre kurze Blütezeit erlebten. Die Ansichten der linken 68er dominierten die politische Anschauung der Bewegung, sorgten aber auch dafür, dass unpolitischere Bands ausscherten.

Gemeinsamkeit war auf jeden Fall, dass auf Schwedisch gesungen wurde und dass man sich als Gegengewicht gegen kommerzielle Musik sah. Musik wie ABBA senke das politische Bewusstsein und richte alles auf den Massenkonsum aus, dachten nicht wenige. Passend zum gestrigen Abend sei angemerkt, dass man im Progg das Schlagerfestival verachtete. 1975 gab es als Gegenveranstaltung ein Alternativfestival in Stockholm, auf dem Ulf Dageby vom Nationalteatern sich im Lied Doin´ the Omoralisk Schlagerfestival über selbiges auslässt.

Die zunehmende Politisierung führte dann gegen Ende der 70er zu Uneinigkeiten und als 1980 das zur Bewegung gehörende Magazin Musikens makt (Macht der Musik) eingestellt wurde, war Progg zu Ende. Der Punk hatte übernommen – und zwar nicht nur die Aufmerksamkeit der Jugendlichen, sondern auch die politisch linke Systemkritik. Zum Beispiel ist Staten och Kapitalet, das neulich schon im Zusammenhang mit Ebba Grön und Joakim Thåström Erwähnung fand ein Cover von Blå Tåget, bei denen es viel zahmer klang.

Seit den 90er Jahren stößt der schwedische Progg wieder auf mehr Interesse und einige der Künstler sind wieder auf Tour und spielen mit viel Zuspruch auf Festivals. Es wird respektiert, dass die Bewegung ein sehr wichtiger Beitrag zur schwedischen Musikgeschichte war, auch wenn man einige der extremeren kommunistischen Texte eher belächelt. Im Gegensatz zur Schlagerbewegung kann man vieles von dieser Musik heute noch hören.

Es gab und gibt zu viele Musiker, die man zum Progg rechnet, als dass ich sie hier alle aufzählen könnte, geschweige denn kennen würde. Ein paar der Protagonisten sollen aber zumindest erwähnt werden: Träd, Gräs och Stenar, die Hoola Bandoola Band mit Mikael Wiehe, Kebnekaise, Björn Afzelius, Peps Persson mit Peps Blodsband, Samla Mammas Manna und natürlich Nationalteatern. Letztere habe ich sogar in meinem ersten Jahr in Schweden auf einem Festival gesehen, natürlich ohne damals je von ihnen gehört zu haben. Peps Persson habe ich neulich verpasst, als er in Uppsala gespielt hat, aber ich hoffe, das irgendwann nachzuholen.

Nach so viel Text jetzt endlich zur Musik. Videos nach dem Klick.

Leider findet sich nur recht wenig der oben genannten bei YouTube und dann meist in zweifelhafter Audioqualität. Trotzdem hier die drei “besten”, die ich finden konnte, abgesehen von denen im gestrigen Artikel und in Rainers.

[Nationalteatern – Bängen Trålar](http://www.youtube.com/watch?v=4WVol2KSXSc):

[Sillstryparn – Doin the Omoralisk Schlagerfestival](http://www.youtube.com/watch?v=ylzX73rskiE):

[Hoola Bandoola Band (mit Joakim Thåström) – Fred](http://www.youtube.com/watch?v=LAgPRfsHn7I):

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Wort der Woche: Spex

Die C-Men Ein spex ist ein lustiges Theaterstück, meist von einer studentischen Gruppe Amateure aufgeführt. Das Wort selbst kommt von “Spektakel”.

Die bekanntesten Spex kommen aus Lund (lundaspexet), aber es gibt zahlreiche Gruppen in den anderen Universitätsstädten. Im Gegensatz zur Lunder Schule, sind Spex nach Uppsala-Art in Reimform. Das Ganze ist eine äußerst unernste Angelegenheit und kann von wenige Minuten langen Einlagen während einer Gasque bis zu mehrstündigen Aufführungen reichen.

Gestern waren wir beim diesjährigen TekNat-Spex der Studenten von Technologie und Naturwissenschaften. Der Titel war “C-Men – Ett spex med genvägar som artar sig” und das Thema war Evolution und “intelligentes Design”. Die Handlung ist schnell erzählt. Die C-Men sind ein Abklatsch der X-Men mit ziemlich sinnlosen Superkräften. Ihr Boss will verhindern, dass Darwin auf die Idee der Evolution kommt und hat dazu einen “Dummstrahl” erfunden, mit dem er die Menschheit für immer an die “Wissenschaft des intelligenten Design” glauben lassen will.

Der Dummstrahl auf Darwin
gerichtet

Darwin reist zusammen mit Piraten, deren einer Jack Sparrow sehr ähnlich sieht, auf die Galapagos, wo er – passend zum Jubiläum – auf Carl von Linné trifft, der ihm die Evolution erklärt. Darwin findet das ganz toll und will es als eigene Idee ausgeben. Die ganze Zeit sind ihm die C-Men und der ~~Schiffspriester~~ Pfarrer am Stock auf den Fersen.

Klingt absurd? Ist es in echt noch viel mehr. Nicht zuletzt, weil das Publikum ermuntert wird, mitzumachen und Regianweisungen an die Darsteller zu rufen. Wenn eine Szene gut war, ruft man omstart!, damit sie wiederholt wird – mit einiger Abwandlung. Die Schauspieler sind darauf natürlich vorbereitet und oft kommen sie erst nach bei der dritten oder vierten Variante in Schwierigkeiten. Auch beliebt war es gestern, bestimmte Dialekte oder Sprachen zu fordern. Wenn der ernste Dialog dann plötzlich mit norwegischer Betonung fortgesetzt wird, ist das einige Lacher wert.

Für Amateurtheater war die Vorstellung mit Orchester, Chor und zahlreichen Tanz- und Musikeinlagen sehr aufwendig und dauerte inklusive Pause drei Stunden. Spex ist eine sehr schwedische und studentische Form der Unterhaltung und allemal wert anzusehen, vor allem wenn man sich an Absurdem erfreut und an Widersinnigem nicht allzu sehr stört.

Nachtrag, 9.5.07: mehr Bilder.

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Wort der Woche: Havtorn

Im Schwedischen ist hav das “Meer” und torn bedeutet “Turm”. Havtorn ist jedoch mitnichten das schwedische Wort für “Leuchtturm” – die nennt man fyr – sondern torn kommt in diesem Fall von törne, also “Dorn”. Es handelt sich bei havtorn nämlich um ein Gewächs, genauer gesagt den Sanddorn.

Dieser ist einigermaßen typisch für die Küste von Uppland, wo die gelb-orangefarbenen Beeren im Herbst beim ersten Frost gepflückt werden. Diese sind im reifen Zustand nämlich so weich, dass man sie zerdrücken würde, wären sie nicht gefroren. Gestern habe ich zum ersten Mal Saft aus den Beeren des Sanddorns getrunken. Lecker. Der Geschmack liegt erstaunlicherweise genau wie erwartet auf halbem Weg zwischen Orangen und Hjortron.

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Wort der Woche: Nykterist

Nykter bedeutet im Schwedischen “nüchtern”. Ein nykterist ist also ein “Nüchterner”, allerdings keiner, der nur gerade jetzt nicht trinkt, sondern überhaupt nicht. Seit knapp zweihundert Jahren gibt es in Schweden genug Menschen, die Alkohol ablehnen, dass eine einflussreiche Bewegung entstand, die nykteriströrelsen.

Schnitt.

Das dumme an der Wikipedia ist, dass das, worüber man eigentlich gerade schreiben wollte, dort oft schon ausführlich behandelt ist. Das braucht einen zwar im Prinzip nicht abzuhalten, nimmt aber doch in gewisser Weise die Motivation. Bloßes Umformulieren ist nicht so spannend.

Das schöne an der Wikipedia ist, dass das Wissen dort frei ist. Und zwar “frei” nicht nur wie in “Freibier”, sondern auch wie in “Freiheit”. Die Lizenz erlaubt nämlich die Weiterverwendung und Abänderung der Texte. Es folgt eine in erster Linie gekürzte, aber auch teilweise ergänzte Version des Wikipedia-Artikels zur Abstinenzbewegung in Schweden.

Schnitt zurück.

Die Abstinenzbewegung war eine der drei großen schwedischen Volksbewegungen während des 19. Jahrhunderts, neben der freikirchlichen und der Arbeiterbewegung. Um 1800 war der Alkoholismus ein bedeutendes Problem in Schweden. Schnaps war das vorherrschende alkoholische Getränk und Schätzungen sprechen von einem durchschnittlichen Konsum von 40 Litern pro Person und Jahr in den 1820er Jahren, dem Fünffachen des heutigen Konsums.

Die ersten Abstinenzvereine entstanden in den 1830er Jahren nach amerikanischem Vorbild. 1837 wurde Svenska Nykterhetssällskapet gebildet, deren Mitglieder sich verpflichteten, keinen Schnaps oder andere Spirituosen zu trinken. Der mäßige Konsum von Bier und Wein war erlaubt, aber diese Getränke waren eigentlich nur in der Oberschicht verbreitet. Das Hauptziel der Bewegung war, das Schnapsbrennen für den Eigenbedarf abzuschaffen, und als sie ihre Ziele in den Gesetzen 1855 erreicht hatten, starb die Bewegung. Das noch heute bestehende schwedische Alkoholmonopol und auch die hohen Steuern auf Alkohol nahmen ihren Anfang.

Während die ältere, moderate Abstinenzbewegung vor allem von Personen aus der Oberschicht getragen worden war, entstand in den 1870er Jahren eine neue, radikalere Volksbewegung, die große Teile der Bevölkerung umfasste. Es wurden Organisationen gegründet, die anfangs noch der religiösen, später mehr der Arbeiterbewegung nahe standen.

Diese Organisationen forderten völlige Enthaltsamkeit von Alkohol und arbeiteten auf ein Totalverbot hin. Auf ihrem Höhepunkt um 1910 hatten die unterschiedlichen Organisationen etwa eine halbe Million Mitglieder. Dazu müssen aber noch die freikirchlichen Erweckungsbewegungen und die Arbeiterbewegung gerechnet werden, die die Forderungen der Abstinenzbewegung unterstützten. In einer Unterschriftenaktion 1909 befürworteten 56% der erwachsenen Bevölkerung ein Totalverbot von Alkohol, in der Volksabstimmung von 1922 sprachen sich aber nur 49% für das Verbot aus und Alkohol blieb weiterhin legal.

Die Repräsentation der Abstinenzbewegung in der Politik war bis weit ins 20. Jahrhundert stark, vor allem bei den Liberalen und Sozialdemokraten. 1918 gehörten 64% aller Abgeordneten in der zweiten, volksgewählten Parlamentskammer einer Abstinenzorganisation an und noch 1950 war eine Mehrheit im schwedischen Parlament nykterister.

Heute haben die unterschiedlichen Organisationen noch mehr als 250.000 Mitglieder und sind von ihrer Verbotsforderung abgerückt. Stattdessen setzen sie auf Informations- und Aufklärungskampagnen. In der Öffentlichkeit spielt die Bewegung heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Es ist jedoch keine Seltenheit, im heutigen Schweden Menschen zu begegnen, die Alkohol ablehnen.

Entsprechend der Lizenz des Wikipedia-Artikels steht dieser Text ebenfalls unter der GFDL, zusätzlich zur üblichen Creative Commons BY-NC-SA.

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Wort der Woche: Påsk

Påsk ist Ostern. Das Wort kommt vom hebräischen “pessach”, erinnert also an die Ableitung des christlichen vom jüdischen Fest. Außerhalb religiöser Enklaven ist Ostern für die Schweden, genauso wie für Deutsche, vor allem ein willkommenes langes Wochenende. Nicht wenige fahren für ein paar Tage aufs Land, was dazu führt, dass das Osterwochenende in Schweden eines der unfallträchtigsten des Jahres ist.

![alttext](/pic/paskkarring.jpg) Bild: Flickr/[hagwall](http://flickr.com/photos/hagwall/)

Wie Ostern in Schweden abläuft und was es für Traditionen gibt, lässt sich am besten anhand einiger Begriffe erklären. Deshalb hier ein kleines Glossar, unter Zuhilfenahme der schwedischen Wikipedia:

Der Dymmelonsdag ist der Mittwoch vor Ostern. Der heißt so, weil früher in Kirchenglocken die Klöppel durch hölzerne ersetzt wurden, um einen gedämpften Klang zu erzeugen und die Leute auf die bevorstehende Zeit der Traurigkeit einzustimmen.

Skärtorsdag, der Gründonnerstag. Der Name kommt von der Fußwäsche, die Jesus an seinen Jüngern vor dem Abendmahl vollzogen haben soll. Skära hatte früher nämlich die Bedeutung “reinigen” und nicht wie heute “schneiden”. Am skärtorsdag verkleiden sich -Mädchen- Kinder als Påskkärring (siehe Bild) und gehen von Tür zu Tür, um Süßigkeiten einzusammeln. Die Hexenverkleidung hat damit zu tun, dass Hexen sich am Gründonnerstag angeblich auf dem Berg Blåkulla (Blocksberg) trafen und mit dem Teufel Orgien feierten.

Långfredag, der “lange (Kar-)Freitag”, bekam seinen Namen, weil er langweilig war. Das Radio spielte keinen Pop sondern Psalme und noch bis 1969 waren keine Vergnügungsveranstaltungen am Karfreitag erlaubt.

Der Påskafton (Karsamstag) ist zwar in der christlichen Tradition “leer”, aber hat sich in Schweden als der eigentliche Osterfeiertag herausgebildet. Ob der Vergleich mit Weihnachten, an dem ja auch der Vorabend gefeiert wird, gerechtfertigt ist, sei dahingestellt. Auf jeden Fall gibt es das Festessen (*Påskmat*) am Samstag. Mittags isst man, wie an so vielen schwedischen Feiertagen, das sillunch (verschieden eingelegte Heringe mit Kartoffeln) und abends beispielsweise Lamm oder Lachs. Eier spielen auch eine Rolle. Allgemein ist das Essen an Ostern weniger schwer als zu Weihnachten.

Påskdagen und Annandag Påsk werden Ostersonn- und -montag genannt und meines Wissens passiert an diesen nichts besonderes mehr.

Ostereier, Påskägg, werden in Schweden zwar auch verschenkt, aber angemalte Hühnereier sieht man selten. Stattdessen benutzt man bunt verzierte, große Karton-Eier, die sich in der Mitte teilen und mit Süßigkeiten füllen lassen.

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Wort der Woche: Sylt

Schlägt man sylt im Wörterbuch nach, dann steht da “Marmelade” als deutsche Übersetzung. Das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht wirklich richtig, denn das Wort marmelad gibt es auch im Schwedischen und sylt ist nicht das gleiche. Was ist der Unterschied?

Ein paar Aussagen, die man zu diesem Problem treffen kann:

  • Sylt ist etwas flüssiger als marmelad.
  • Marmelad ist oft gelb (z.B. von Orangen) und sylt rot. Demnach wäre es die gleiche Unterscheidung wie jam und marmelade im Englischen. Aber es gibt auch Kirsch-, Brombeer- und andere Marmeladen.
  • Preiselbeeren sind immer lingonsylt und nie lingonmarmelad.
  • Auch bei Erdbeeren ist *sylt* die üblichere Form, aber wie bei vielen anderen Beeren gibt es beide Formen.

    Was *sylt* und *marmelad* (wahrscheinlich) vor allem unterscheidet, lernt man erst, wenn man von der Sache weggeht und einen Blick darauf wirft, wie sie jeweils *verwendet* werden. Marmelade kommt nämlich aufs Brot – *sylt* isst man dagegen mit [*filmjölk*](http://schwedenwiki.de/Fil), Pfannkuchen oder zu anderen Speisen.
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