Wort der Woche: Gasque

Tisch bei einer
Gasque

Eine gasque (auch gask) ist ein studentisches Fest mit mehrgängigem Abendessen. Um den Hintergrund der Studentorganisationen zu verstehen und damit ich einige Begriffe nicht neu erklären muss, empfiehlt es sich, den älteren Artikel über Studentnationen gelesen zu haben. Wie schon in diesem, bezieht sich alles weitere vornehmlich auf Uppsala und ist zudem exemplarisch. In den wenigen anderen Studentenstädten kann es ähnlich sein, muss es aber nicht.

Vorab sei gesagt, dass Gasques nichts für traditionsscheue Gemüter sind. Wenn es einem aber nicht zu viel ausmacht, einen Anzug anzuziehen und vor dem Trinken zu singen, können Gasques sehr lustig sein, vor allem weil unter der bewussten traditionellen Fassade meist ein lockeres Fest gefeiert wird.

Gelegenheiten für Gasques gibt es viele und kleinere Nationen feiern oft gemeinsam, um die Festsäle in ihren Häusern zu füllen. Ein paar Beispiele für Gasques, die regelmäßig in Uppsala stattfinden, dann nicht selten in meheren Nationen gleichzeitig:

  • Nyårsgasque – zu Silvester.
  • Vårbalen – der Frühlingsball.
  • Gåsmiddagen – großes Gänseessen mit Blutsuppe als Vorspeise.
  • Luccegasque – zu Lucia.
  • Reccegasque – für die Erstsemester.

  • Doktorandgasque – auch verschiedene studentische Untergruppen veranstalten Gasques, seien es die Doktoranden, Schwule und Lesben oder wer auch immer.

    Wenn man sich entschlossen hat, zu einer Gasque zu gehen, muss man sich mehrere Wochen vorher bei der jeweiligen Nation anmelden und das Eintrittsgeld bezahlen. Das liegt meist bei wenigen hundert Kronen und deckt nicht viel mehr als die Kosten für Essen und die mit geringen Löhnen als Personal arbeitenden Mitstudenten. Eine wichtige Information, die man spätestens bei der Anmeldung haben sollte, ist das klädsel, also die Kleidervorschrift.

  • kavaj – Jackett. Das ist die formloseste der Alternativen. Jeans sind OK und Krawatte freiwillig. Frauen können da anziehen, was sie wollen. Kommt zum Beispiel bei Reccegasques zur Anwendung, um die neuen Studenten nicht gleich abzuschrecken.

  • kostym – Anzug. Hier kommt für Männer Kravatte, Anzughose und je nach Geschmack auch Weste zum Jackett hinzu. Für Frauen ist ein Abendkleid angemessen, aber wer in Hose oder Rock und Bluse kommt, findet trotzdem Einlass.
  • *frack, högtidsdräckt* – Bei seltenen Gelegenheiten wie dem Frühlingsball ist Frack und Fliege angesagt. Frauen kommen dementsprechend im Ballkleid. Alternativ gelten auch traditionelle Gewänder der jeweiligen Herkunftsregion und Militäruniformen als “Hochzeitskleidung” in der wörtlichen Bedeutung.

    Etwa zwei Stunden vor Beginn trifft man sich nicht selten bei Freunden, die auch zur Gasque gehen, zum *förfest*, dem Vorfest. Dort trinkt man gemütlich einen Drink und stimmt sich auf den Abend ein. Zur angegebenen Zeit, üblicherweise zwischen sechs und sieben Uhr, geht man dann gemeinsam ins Nationshaus, wo in der Lobby der Willkommenstrunk wartet. Dort mischt man sich unters Volk und wirft einen Blick auf die Tafel mit der Sitzordnung, damit man seinen Platz leichter findet, wenn der Festsaal geöffnet wird. Eben dies wird akustisch mit einem Läuten oder Klopfen kundgetan und daraufhin sucht man seinen Platz und stellt sich hinter seinen Stuhl. Erst wenn der erste Kurator am “Ehrentisch” Platz nimmt, setzen sich alle gleichzeitig. Wenn man sich mit Partner angemeldet hat, wird man feststellen, dass der Mann immer links von der Frau sitzt und sich so eine alternierende Ordnung ergibt. Idealerweise ist die Ordnung auf der gegenüberliegenden Tischseite um eins versetzt, so dass jeder zu beiden Seiten und als Gegenüber eine Person des anderen Geschlechts hat. Da aber bei weitem nicht jeder mit Partner kommt, Partner nicht notwendigerweise verschiedene Geschlechter haben und noch auf mehr Dinge bei der Platzierung geachtet werden muss, lässt sich das nie komplett verwirklichen. Den Tisch vor sich findet man fertig gedeckt und mit der Vorspeise auf dem obersten Teller. Man gießt sich das bereitgestellte Bier in das dafür vorgesehene Glas und fängt zu essen an, wiederum nachdem man auf den ersten Kurator gewartet hat. Unterdessen geht das Personal mit den bekanntesten Sorten Aquavit (*snaps*) durch die Reihen und schenkt jedem seinen bevorzugten ein. Oft ist das nicht im Preis inbegriffen und man hat zuvor am Eingang Tickets gekauft, die man jetzt los wird. Bald darauf wird der *Toastmaster* das erste mal um Aufmerksamkeit bitten und alle ermahnen, dass man es mit ihm absprechen soll, falls jemand eine Rede halten will oder ähnliches. Auch wird erklärt, wie man in der jeweiligen Nation den Snaps trinkt. In “[meiner](http://www.upplandsnation.se/)” werden die recht großen Schnapsgläser bei jedem Lied zu einem Drittel geleert. Der Toastmaster ist also für die Zeitplanung des Abends zuständig und kündigt die einzelnen Redner und Events kurz an. Dann geht das Wort auch schon zur zweitwichtigsten Person, dem *sånganförare*, der die zahlreichen Lieder während des Abends anstimmt. Die Liedtexte kennt man entweder oder liest sie aus dem nationseigenen Büchlein ab, das eigens dafür herausgegeben wird. Da das Personal noch während der Vorspeise ein zweites Mal mit den Akvavitflaschen kommt und zu jedem Glas drei Lieder gesungen werden, kommen die ersten sechs Lieder zügig nacheinander im Abstand von wenigen bis zehn Minuten. Am Ende und manchmal auch in der Mitte jeden Liedes wird angestoßen. Aber bitte nicht irgendwie. Man hebt sein Glas und blickt zuerst seinem jeweiligen Partner zu, also Frauen nach links, Männer nach rechts. Dann demjenigen auf der anderen Seite, dann seinem Gegenüber. Dann trinkt man und blickt alle drei noch einmal in umgekehrter Reihenfolge an, bevor man sein Glas wieder abstellt. Man endet also wieder mit seinem Partner. Welche Lieder gesungen werden, variiert stark von Nation zu Nation. Klassiker von Bellman kommen ebenso vor wie neuere Verballhornungen klassischer Trinklieder. Zugute halten kann man den Nationen, dass sie Lieder, die einem gleichberechtigten Frauenbild zuwider laufen, aus den Liederbüchlein entfernt haben. Auch sonst findet man trotz der traditionellen Aufmachen wenig Kritikwürdiges. Zu bestimmten Liedern haben sich eigene kleine Rituale gebildet, die von wirklich witzig bis albern reichen und bei denen ein nicht Eingeweihter durchaus einmal in ein Fettnäpfchen treten kann. Nachdem man seine Schnäpse und das Bier geleert, die Vorspeise aufgegessen und vielleicht schon die erste Rede über sich hat ergehen lassen, wird abgeräumt und der Wein zum Hauptgang ausgeschenkt. Konsequenterweise geht man dann auch von Schnaps- zu Weinliedern über. Mit diesen, weiteren Reden und musikalischer Unterhaltung nimmt man sein Essen zu sich. Es empfiehlt sich, schnell zu essen, damit kein Redner dafür sorgt, dass man seinem Essen beim Kaltwerden zuschauen muss. Jedem Redner oder Auftritt danken die Gäste mit einem gesungenen Zweizeiler, den der- oder diejenigen mit einer Standardzeile beantworten oder – wenn sie sich vorbereitet haben – mit einer individuellen Abwandlung derselben. Vor dem Dessert gibt es üblicherweise eine Pause, die vom Personal zum Abräumen und von den Gästen zum Beine vertreten oder Rauchen verwendet wird. Denn natürlich ist auch in den Nationshäusern generelles Rauchverbot. Zum Nachtisch und Kaffee hat man eine weitere Gelegenheit, eines seiner Schnaps-Tickets loszuwerden. Meist stehen Punsch, Cognac und Bailey’s zur Auswahl. Gegen elf Uhr, wenn die letzte Rede geschwungen, allen Beteiligten gedankt, der Teller geleert und der nachgeschenkte Wein fast ausgetrunken ist, wird das letzte gemeinsame Lied des Abends angestimmt. Das ist immer [*O Gamla Klang*](http://www.dsek.lth.se/arkiv/sanger/index.php?song=287), eine Abwandlung des deutschen Burschenschaftsliedes [*O alte Burschenherrlichkeit*](http://www.absolvia.de/wuerzburg/lohalte.htm). Zur letzten Strophe stellen sich alle auf ihre Stühle und schwenken ihre Serviette über dem Kopf. Danach setzt man sich nicht wieder, sondern verlässt den Festsaal in Richtung Bar. Der förmliche Teil des Festes ist damit vorbei. Der Saal wird dann üblicherweise leergeräumt und zur Tanzfäche umgewandelt. Die *släpp* beginnt, die Party für den Rest des Abends. Dazu werden auch die Türen für weitere Gäste geöffnet, die nicht beim Essen dabei waren. Das kostet immer noch etwas Eintritt und die Kleidervorschrift wird allenfalls etwas abgeschwächt. Die, die den ganzen Abend dabei waren, haben aber verständlicherweise einen Vorsprung, was den Alkoholgenuss angeht. Wie man den Rest des Abends gestaltet, bis man um drei oder vier Uhr gebeten wird zu gehen, bleibt einem selbst überlassen. Eine Errungenschaft, die die Schweden ihrem Alkoholgesetz verdanken, ist, dass es immer etwas zu essen geben muss, wenn Alkohol ausgeschenkt wird. Das bedeutet, dass irgendwann gegen ein Uhr noch einmal etwas Einfaches aufgetischt wird, zum Beispiel Hot Dogs, und man sich bedienen kann. Der Nachhauseweg findet dann zu Fuß oder mit dem Taxi statt. Wenn man also spät nachts in Uppsala ungewöhnlich viele junge Menschen in Anzügen in Richtung der Studentensiedlungen torkeln sieht, weiß man: heute war Gasque. Zum Abschluss noch der Text des wohl bekanntesten schwedischen Trinkliedes, *Helan Går*. Der Inhalt sagt nicht viel mehr als dass man auch wirklich ganz austrinken soll. > Helan går, > sjung hopp fadarallan lallan lej. > Helan går, > sjung hopp fadarallan lej. > Och den som inte helan tar > han heller inte halvan får. > Helan går! [TRINKEN!] > Sjung hopp fadarallan lej. Für die vielen Austauschstudenten hat ein Spaßvogel eine Version aus englischen Worten zusammengestellt. Wenn man es singt, klingt es wie das schwedische Original, der Text ist jedoch Unsinn: > Hell and gore, > Shun hop father Allan lallan lay. > Hell and gore, > Shun hop father Allan lay. > And then some in the hell and tar > and hell are in the half and four. > Hell and gore, [DRINK!] > Shun hop father Allan lay.
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