Ich habe den Eindruck, dass Menschen aus vielen europäischen Ländern klagend behaupten, es sei typisch für ihr Land, oft in der Schlange für etwas anzustehen. Auch in Schweden hört man das hin und wieder, aber selbst wenn die Wartezeiten höher als anderswo wären, eine richtige “Schlange” ist es meist nicht, denn es gibt den kölapp.
Das Wort setzt sich zusammen aus kö, zu deutsch “Schlange” (nur Menschen, nicht das Tier), und lapp, dem “Zettel”. Nummerlapp ist ein gebräuchliches Synonym. Das Prinzip ist simpel, genial und auch in Deutschland nicht mehr unbekannt. Man zieht zum Warten eine Nummer aus einem kleinen Automaten am Eingang und ein Display verrät, wer als nächstes an einen gerade freigewordenen Schalter darf. Das hat mehrere Vorteile gegenüber der klassischen Schlange.
- Man muss nicht dicht an dicht stehen, sondern kann sich die Beine vertreten oder hinsetzen. Hat man eine viel höhere Nummer als die gerade angezeigte, kann man noch schnell etwas anderes erledigen – natürlich mit dem Risiko, die eigene Nummer zu verpassen.
- Es ist fairer. Wenn es z.B. mehrere Schalter für etwas gibt, vor denen man sich anstellen würde, kann man sicher sein, dass die eigene Schlange die langsamere ist. Dieses Problem gibt es mit dem kölapp nicht und ein einzelner kann nicht eine ganze Gruppe aufhalten.
- Drängeln ist beinahe unmöglich und Konflikte werden somit vermieden. Nach eine Weile hier erkennt man diesen Aspekt wohl hinter immer mehr Gepflogenheiten der konfliktscheuen Schweden. Was ist daran jetzt so besonders? Die Konsequenz, mit der das Prinzip angewandt wird. Außer an der Supermarktkasse sieht man Schweden nur sehr selten in Reih und Glied stehen. Den *kölapp* gibt es nicht nur bei Post, Bank oder dem Systembolaget, sondern z.B. auch beim Fahrkartenkauf am Bahnhof und in zahlreichen Geschäften, in denen Bedienung wichtig ist. Hier findet man auch oft die untechnische Variante, dass sich der Ladenbesitzer die aktuelle Nummer merkt und sie einfach ruft. In diesem Fall ist es weniger die Schlange, die ersetzt wird, sondern man vermeidet, sich darüber einigen zu müssen, wer denn jetzt zuerst da war. Sprachlich ist das Wort *kö* insofern eine Ausnahme, als dass *k* vor *ö* normalerweise als weiches “ch” (wie in “Sichel”) ausgesprochen wird, in *kö* jedoch wie “k”. Das ist besonders wichtig in der bestimmten Form *kön*, denn dann besteht Verwechlungsgefahr mit *kön* (\_k\_ wie “ch”), dem *Geschlecht*.