Wort der Woche: Valborg

Valborg ist der alte Name der heiligen Walburga, nach der auch die Walpurgisnacht benannt ist, die Nacht auf den 1. Mai. Diese, und auch der zugehörige Tag davor, wird in Schweden Valborgsmässoafton genannt, oder in der gebräuchlichen Kurzform einfach Valborg.

Heute ist Valborg, oder auch – schlicht nach dem Datum – sista April.

Im Allgemeinen ist das in Schweden kein großes Fest – es werden lediglich hie und da Maifeuer angezündet. In den Studentenstädten Uppsala und Lund hat sich am sista April aber eine recht spezielle Tradition entwickelt, die Valborg zweifelsohne zu einem der Höhepunkte des hiesigen Studentenlebens macht. Da auch der nichtstudentische Teil der Stadt auf der Straße ist, ist Valborg einer der lebendigsten Tage in Uppsala und man feiert in ausgelassener Stimmung den lange erwarteten Frühling. Im Folgenden will ich einen typischen Ablauf an Valborg nachzeichnen und mit Bildern aus den letzten Jahren illustrieren.

Nachtrag: Die Bilder von diesem Jahr sind jetzt auch online.

Es beginnt schon an den Tagen vorher mit den Vorbereitungen. Sofern man nicht am Bootsrennen oder einer anderen Aktivität teilnimmt, muss man zumindest vorsorglich seine Getränke kaufen. Denn auch wenn Valborg nicht wie dieses Jahr auf einen Sonntag fällt, hat der Systembolaget geschlossen, um sich vor anstürmenden Studentenmassen zu schützen. Desweiteren ist es ratsam, das Essen (s.u.) voher einzukaufen und die Kartoffeln zu kochen.

Der Tag an Valborg selbst zerfällt normalerweise in sechs Abschnitte: Sektfrühstück, Bootsrennen, Heringessen, Rektor beim Mütze aufsetzen zuschauen, Champagnegalopp in den Nationen und als Abschluss ein Grillfest oder beliebige andere Abendaktivität.

Sektfrühstück: Wie der Name schon sagt, beginnt der Tag schon mit Alkohol. Dazu meist die ersten Erdbeeren des Jahres oder andere Früchte und ein Magenfüller, z.B. viel Brot und Käse. Eine Tradition, die ich bisher immer ausgelassen habe, ist Haferbrei mit Whisky. Man trifft sich meist in einer Gruppe, entweder privat in den Studentenheimen oder bei schönem Wetter wie heute im Park zum Picknick.

Bootsrennen Bootsrennen: Ab 10 Uhr bewegt man sich Richtung Fyrisån, dem hiesigen Fluss, denn dort kann man bizarr gekleideten Studenten dabei zusehen, wie sie auf selbstgebastelten Booten den Fluss hinuntertreiben. Es gibt kleine Wasserfälle an zwei Stellen, an denen einige der meist aus Styropor bestehenden Boote in ihre Teile zerfallen. Die Besatzungen verhalten sich dem Thema ihres Bootes entspechend (siehe Bild) oder bekämpfen sich und die zahlreichen Zuschauer mit Wasserpistolen. Es werden nicht alle Boote gleichzeitig losgeschickt, sondern schön der Reihe nach, so dass das Spektakel bis nach zwölf Uhr dauert. Dieses Jahr dürfte es besondern witzig werden, weil der Fluss wegen der späten Schneeschmelze heuer viel mehr Wasser führt als üblich. Das macht nicht nur die kleinen Stromschnellen noch gemeiner, sondern auch den Platz unter der letzten Brücke wirklich niedrig. Spaß für die Zuschauer und viel Arbeit für die Taucher, die zur Sicherheit im Wasser ausharren, ist also vorprogrammiert.

BootsrennenHeringessen: Wenn man sich an den Booten sattgesehen oder erst gar keinen Platz am Ufer ergattert hat, begibt man sich an den Schlosshügel (_Slottsbacken_) oder nahegelegene Parks, wo man sich dicht gedrängt mit anderen Gruppen niederlässt und sein Picknick aufschlägt (siehe Bild). Wie auch schon während des Bootsrennens, trinkt man v.a. Bier um diese Zeit. Zum Mittagessen gibt es eingelegte Heringe (_Sill_) in verschiedenen Soßen und dazu die vorgekochten Pellkartoffeln. Zum Sillunch gehört auch notwendigerweise ein Glas schwedischer Snaps [1], dessen brennenden Geschmack man mit mehr Bier nachspült.

Mützeaufsetzen: Bis zum frühen Nachmittag harrt man dann vor Ort aus, denn dann findet das nächste Ereignis statt. Direkt neben den Schlosshügel liegt die Unibibliothek und die Straße führt geradewegs den Hügel hinauf auf das Gebäude zu. Um 15 Uhr kommt der Rektor der Uni auf den Balkon und gibt eine kurze, jedes Jahr identische Rede, bevor er seine Studentenmütze aufsetzt und Tausende von Menschen, die sich vor der Bibliothek versammelt haben, es ihm gleichtun. Für pathetisch Gestimmte sicherlich ein erhebender Anblick.

Champagnegalopp: Danach ist keine Zeit zu vertrödeln, denn jetzt ist Champagnegalopp. Das bedeutet nichts anderes, als dass man sich, um lange Wartezeiten in der Schlange zu vermeiden, auf dem schnellsten Weg in eine der Nationen [2] begibt. Dort trinkt man überteuerten billigen Sekt, trifft die Leute, die man den ganzen Tag verpasst hat und feiert bis zum frühen Abend. Wir gehen meist zu Uplands Nation, weil es dort einen sehr gemütlichen Garten zum draußensitzen gibt.

Abends: Ab 18 Uhr wird man aus den Nationen wieder hinausgeworfen, denn es muss die Party am Abend vorbereitet werden. Zu dieser Zeit scheiden sich die Wege und es gibt keine vorherrschende Aktivität für den Abend, aber umso mehr Möglichkeiten. Sehr populär sind Grillfeste rund um die Studentenviertel. Es soll auch vorkommen, dass man sich im Laufe des Tages etwas am Alkohol übernommen hat und deshalb abends nicht mehr gesellschaftsfähig ist, was allerdings auf schlechte Planung schließen lässt.

Zum Abschluss soll darauf hingewiesen sein, dass der eben beschriebene Ablauf zwar typisch ist, aber eben doch nur eine von mehreren Varianten. Ja, es wird viel Alkohol getrunken an Valborg, aber wie ich schon einmal erwähnt habe, ist es in der schwedischen Trinkkultur eher üblich, zu bestimmten Gelegenheiten viel zu trinken, als regelmäßig. Valborg markiert die Ankunft des Frühlings, nicht nur symbolisch, sondern auch insofern, dass jetzt wirklich mehr als nur die ersten Blumen blühen und auch Bäume sehr bald ausschlagen werden. Nach einem halben Jahr Winter ist das allemal ein Grund zu feiern!

[1] Natürlich ist das das gleiche Wort wie Schnaps, aber bei schwedischem Snaps handelt es sich um stark gewürzten Branntwein, auch Aquavit genannt.

[2] Nationen sind nach schwedischen Landstrichen aufgeteilte Studentenhäuser, historisch den Verbindungen in Deutschland nicht unähnlich, aber ohne politische Ausrichtung. Jeder, der in Uppsala studiert, ist Mitglied einer der 12 Nationen.

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