Anderthalb Wochen Deutschland

Packen. Die Mitbringsel, eingelegte Heringe und Schnaps (Hallands Fläder) nicht vergessen. Laptop, Kamera, alle Kabel, die deutsche Pre-Paid-SIM-Karte fürs Handy, check! Auf zum Bahnhof und in den X2000. Gut fünf Stunden von Stockholm bis Kopenhagen. In der ersten Klasse, die billiger als die zweite war, gehören Kaffee, Kekse und ein Fruchtkorb dazu. Und Internet! was die Zeit sehr entspannt und wie im Fluge vergehen lässt. Nein, nicht wie im Fluge, denn dieses Verkehrsmittel macht keinen Spaß mehr mit all den sinnlosen Regeln und Kontrollen, die einen zum brav von einer Schlange zur nächsten laufenden Schaf degradieren. Zugfahren ist viel zivilisierter. In Kopenhagen ankommen, Gepäck einschließen. Völlig überteuert zwar, aber egal. Ich war noch nie in Kopenhagen und die drei Stunden Aufenthalt wollen optimal genutzt werden. Ebendiese später, mit einigen Kilometern mehr in den Füßen und einer rød pølse im Magen wieder zum Zug. Nachtzug diesmal, der sich bis Frankfurt ganze zwölf Stunden Zeit lassen wird. Der erste Endruck von Kopenhagen: ziemlich positiv, Fahrradstadt, weniger posh als Stockholm und bestimmt auch sehr lebenswert. Im Zugabteil mit drei Dänen und einer Schweizerin. Erstere würdigen meine nicht ganz vergeblichen Versuche, zu verstehen was sie sagen, dann wechseln wir zu Englisch. Irgendwie unfair, dass Dänen Schwedisch verstehen, aber nicht umgekehrt, zumindest nicht auf Anhieb. In Ruhe meine beiden Dosenbiere austrinken, bevor die Sitze zu Betten werden. Dann schläft man besser. Die Schweizerin will Bettplatz tauschen, weil die Leiter zu fehlen scheint. Meinetwegen, wenn sie sich schon in Frankfurt und nicht erst in Basel wecken lassen will. Wenn die Liegen nur 5 Centimeter länger wären, würde ich in Nachtzügen noch besser schlafen. Trotzdem ganz erholt aufwachen und Zeuge werden wie das Zugpersonal in äußerst bizarrem Denglisch, bei dem alle wichtigen Worte auf Deutsch und die unwichtigen auf Englisch waren, jemandem erklärt, wie er von Frankfurt-Süd nach Stuttgart kommt. Drei weitere Stunden in Regionalzügen, Bussen und auf Schusters Rappen verbringen, um in der ehemaligen Heimat zu landen. Die Luft riecht frisch und kühl, unerwartet nach den Berichten von über fünfunddreißig Grad. Es hat ordentlich gestürmt in der Nacht zuvor, sonst wären die drei Stunden auch nur zwei gewesen. Ein paar Tage mit der Familie und alten Freunden verbringen. Der vorletzte noch nicht verheiratete ändert dies. Auf dem Fest viele fast vergessene Gesichter treffen, die heute Ansichten vertreten, die man ihnen nie zugetraut hätte. Früh morgens im Spessart laufen gehen. Rehe, Fasane, einen roten Milan und einen jungen, fast weißen Mäusebussard sehen. Äppelwoi trinken, bei weitem nicht alle hessischen Einflüsse auf Unterfranken sind schlecht. Mal wieder Schafkopf spielen. Sich ein wenig der Nostalgie hingeben und zuhören, wenn einem ältere Verwandte von früher erzählen. Wurst essen. Und richtiges, saftiges, schweres, schwarzes Sauerteigbrot. Man findet mittlerweile auch in Schweden ungesüßtes, durchaus essbares Brot, aber das ist noch eine ganze Klasse weg. Mit Freunden grillen; mehr Wurst. Klamotten kaufen, die Krone ist gegenüber dem Euro wieder auf Vorkrisenniveau und es lohnt sich wieder. Ein Auto mieten und mit vier Menschen und Gepäck voll beladen nach München fahren. In gutem Umweltgewissen baden, diese Fahrgemeinschaft aus Freunden und Familie zusammenbekommen zu haben. München im Feierabendverkehr ist nicht sehr lustig, wenn man nur mal eben jemanden zentral abliefern will. Gleich weiter Richtung Rosenheim und in einem urbayrischen Dorfgasthof zu Abend essen (Pressack sauer mit richtigem, saftigem, schwerem, schwarzem Sauerteigbrot) und mich mit ein paar Halben für die lange Fahrt entschädigen. Gut schlafen. Am nächsten Morgen die paar Kilometer zu den Alpen fahren und mit der Seilbahn zur Kampenwand hoch. Nebel, der dur ab und zu aufreißt. Trotzdem beeindruckend. Sowas hat’s in Schweden nicht. Am Wegesrand Haufen mit wachteleigroßen Hagelkörnern vom letztnächtlichen Gewitter bestaunen. Die Hänge sehen etwas mitgenommen aus. Auf der Alm zu Mittag essen und wieder rechtzeitig ins Tal bevor der nächste Regen kommt. Kurz nach Österreich zum Tanken. Sich in den Alpentälern dank gesperrter Straße ein wenig verfahren. Über eine mit Maut belegte, schmale, sehr urwäldliche Strasse zurück finden. Früh raus am Tag darauf und auf die Autobahn Richtung Weimar. Strömender Regen und dichte Gischt bis hinter Hof. Im Hotel einchecken, duschen und in die feinen Klamotten. Zur Hochzeit in der Kirche, in der Goethe geheiratet hat. Jetzt bin ich der last man standing der Junggesellen. Feier in einem alten Herrenhaus außerhalb der Stadt. Zu viel Essen und Trinken. Dann noch ein ganzer Tag in Weimar. Goethehaus, Goethedies, Goethedas. Ob die Weimarer dessen wohl ein wenig überdrüssig sind? Sich über die Ausstellung im Goethe-Nationalmuseum aufregen, die sich seiner Farbenlehre widmet und sie tendenziell verteidigt und mystifiziert anstatt klarzumachen, was für ein Griff ins Klo sie im Gegensatz zum Zeitgenossen Newton war. Bevor am nächsten Abend der Nachtzug in Frankfurt wartet, kurzer Stopp in Eisenach, durch die Drachenschlucht laufen, im einzigen Dönerladen der Stadt essen. Kann es sein, dass die (nicht mehr so) neuen Bundesländer diesbezüglich noch genauso Entwicklungsland sind wie Schweden? Auf der Wartburg den Blick über den Thüringer Wald genießen; auf dem Turm, dessen Bezahlschranke leicht auszutricksen war. He, wir hatten gerade keine zwei mal fünfzig Cent zur Hand. Dann nach Frankfurt, Auto loswerden und in Sachsenhausen die diesjährige Deutschlandreise mit ein paar großen Gläsern Appelwoi ausklingen lassen. Schön war’s.

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