Wieder einmal ZEIT-Lektüre am Frühstückstisch. In diesem Artikel fragt sich Susanne Gaschke, ob es gerechtfertigt ist, Deutschland mit “kleinen” Ländern wie Schweden zu vergleichen, wie es oft getan wird. Zwei Hauptaussagen hat der Text und beide halte ich für richtig:
- Die Selbstwahrnehmung der Deutschen entspricht nicht der Größe und dem Einfluss des Landes. Deutschland ist groß und erfolgreich, ob man das nun mag oder nicht. Auch aus persönlicher Erfahrung kann ich bestätigen, dass ich das anders sah, bevor ich das Land eine Weile verließ. Irgendwie war es angenehmer, Deutschland als unwichtig zu betrachten.
- Die Verhältnisse und Lösungen aus “Vorbildländern” werden oft aus dem Zusammenhang gerissen und sind nicht ohne weiteres übertragbar. Gewachsene Strukturen lassen sich nicht einfach durch eine Regeländerung kopieren. Jetzt aber die Gretchenfrage: Was haben die beiden Aussagen miteinander zu tun? Scheitern die Vergleiche mit anderen Ländern, *weil* Deutschland größer ist, wie Frau Gaschke es suggeriert? Oder spielt die Größe eine untergeordnete Rolle gegenüber anderen Unterschieden, wenn man zwei Länder vergleicht? Ich sehe ja ein, dass die Anzahl der zu organisierenden Menschen eine Rolle spielt, wenn man eine Gruppe mit 80 und eine mit 80 Millionen hat. Aber zwischen Schweden und Deutschland als Beispiel ist es nur ein Faktor 9 in der Bevölkerungszahl – nicht einmal eine Größenordnung. Auch in Schweden findet sich zu jeder Meinung jemand, der sie vertritt, und der relative (!) Einfluss von Interessensgruppen sollte auch gleich bleiben. Mir fällt kein offensichtlicher Grund ein, warum Gesellschaften nicht zumindest über einen Faktor zehn nach oben und unten gut skalieren sollten. Angeschnitten hatten wir das Thema [hier](http://www.fiket.de/2007/01/22/ueberall-ist-es-besser/) schon einmal und ich werde auch die Statistiker in Stockholm fragen, bei denen ich bald einen Vortrag geben werde. Ein Verein von Statistikern und Statistikinteressierten hat nämlich gestern angefragt, ob ich ihnen nicht etwas zu Statistik in der Astronomie erzählen kann. Kann ich schon, ich befürchte aber fast, dass die Menschen, die Statistik als Selbstzweck sehen, unsere doch eher pragmatische Herangehensweise befremdlich finden werden.