Ich erspare mir und Euch, liebe Leser, normalerweise bewusst Meta-Diskussionen über Blogs und die “Bloggosphäre”; ein Dauerbrenner ist zum Beispiel das Verhältnis der “alten” Medien gegenüber neuen wie Blogs. Ich denke mir meist “Macht doch einfach, anstatt drüber zu schwätzen! Was gut ist, findet Leser.” Gleichzeitig setzt das eigene Publizieren, egal in wie kleinem Stil das geschieht, neue Gedanken bei Nicht-Medien-Menschen frei und die meisten Blog-Schreiber können deshalb den Diskussionsbedarf zu diesen Themen nachvollziehen.
Heute morgen war in der Zeitung ein Artikel mit dem Titel Das unnötige Blog zu lesen, der der deutschen Blog-Welt so fremd erscheinen dürfte, dass ich nicht umhin komme, ihn aufzugreifen.
Schwedische Medien zollen Blogs und Bloggern einen Respekt, der oft nur schwer nachzuvollziehen ist – besonders in der Zeitungswelt. Die Chefredakteure des Aftonbaldet und des Expressen wetteifern frustriert, wer besser vor der Bloggosphäre zu Kreuze kriecht. [...] Sobald ich in einer Diskussion über soziale Medien teilnehme, bekomme ich Varianten des Modesatzes “Blogs bestimmen die Agenda für die traditionellen Medien” zu hören und die meisten scheinen darin überein zu stimmen, dass dem so sei.
(Übersetzung von mir)
Das ist aus deutscher Sicht unerhört. Dort geht das Klagelied in die andere Richtung, nämlich dass die klassischen Medien die Themen der Blogs weitgehend ignorieren. Natürlich gab und gibt es Ausnahmen, aber ich halte es für keine Übertreibung, dass Blogger in Schweden mehr beachtet sind und sich damit auch mehr Einfluss erkämpft haben; dass Zeitungen Blogs zitieren ist zum Beispiel an der Tagesordnung. Vielleicht hatten es Blogger auch leichter hier, schließlich sind Rangordnung und elitistisches Denken in Schweden weniger ausgeprägt (siehe Jantelagen) als in Deutschland (siehe Untertan).
Zurück zum Artikel, dessen Autor Alex Schulman durch sein Blog bekannt wurde, das er 2007 mit einer Million Besuchern pro Monat (das entspräche etwa dem zehnfachen in deutschen Maßstäben) beendete. Im Artikel fährt er fort, dass der Einfluss von Blogs von den “alten” Medien selbst überschätzt wird und dass Blogs eigentlich recht irrelevant seien. Es fallen die üblichen Argumente, die man auch aus Deutschland kennt: Es gibt sehr wenige aktive Blogs und 95% der Menschen lesen keine Blogs; die meistgelesenen Blogs sind über “seichte” Themen wie die Modeblogs junger Frauen; Blogs sind selbstreferenziell und drehen sich um sich selbst; der Mehrheit der Bevölkerung sind die Themen egal, die in Blogs groß werden.
Schulman endet mit einem Plädojer dagegen, dass die klassischen Medien sich so sehr von Blogs beeinflussen lassen, denn damit bekämen diese erst ihren Einfluss verliehen, der ihnen nicht zustünde.
Das mag so sein. Ob man ihm bei der Bewertung zustimmt oder die Hellhörigkeit der “Altmedien” auf Blogs stattdessen gut findet, ist jedoch Geschmacksache. Eine Folge des Ganzen ist das aufkommen der Piratenpartei mit den Themen zur Überwachung, die erfolgreich von Blogs in die Zeitungen wanderten und somit die Partei erst bekannt und wählbar machten. Der Erfolg der Piraten bei den EU-Wahlen vor ein paar Wochen hat den Stein ja auch in Deutschland ins Rollen gebracht. Und “Schuld” daran sind die schwedischen Zeitungen, die dem Internet zu sehr zugehört haben.