Das Thema, wie Schweden über Deutschland und dessen Einwohner denken, hatten wir zwar erst neulich, aber die Sonntagsbeilage der DN vom 4. Juni kann nicht unkommentiert bleiben. Dagens Nyheter ist die größte schwedische Tageszeitung und hat sich in besagter Beilage in 11 Artikeln mit Deutschland beschäftigt. Das nebenstehende Bild zeigt das Titelblatt und die Überschrift darauf liest sich wie folgt:
Kein Knödel, keine Lederhosen, kein Fußball.
Aber eine ganze Zeitung über Deutschland.
Dieser Titel ist eine Lüge, denn Knödel kommen zweimal vor und natürlich bleibt auch die Fußball-WM nicht unerwähnt. Die Fußballschuhskulptur beim neuen Lehrter Bahnhof in Berlin füllt sogar eine Doppelseite. Die Beilage beginnt mit einem kurzen und harmlosen Editorial über den Besuch eines alten ostdeutschen Filmstudios. Dann kommt ein Quiz mit folgenden Fragen
- Wo spielt sich die Handlung der Buddenbrooks ab? Berlin, Lübeck oder Frankfurt stehen zur Auswahl. Natürlich in der Hansestadt.
- Wer war kein Deutscher – Brahms, Wagner oder Schubert? Vielleicht nicht ganz so einfach, aber ich lag mit Schubert, der Österreicher war, richtig.
- Was sind Knödel? Da sind sie also. Als falsche Antworten gab es einen Wanderstock aus dem Schwartzwald (sic!) und Strümpfe, die man zu Lederhosen trägt. In dieser Frage werden gleich zwei der Versprechen des Titels gebrochen.
- Dass Nina Hagen weder Soul noch R&B sondern Punk macht, konnte sich aus dem Bild neben der Frage ableiten, wer es nicht wußte.
- Bei der letzten Frage, ob [*Bauhaus*](http://de.wikipedia.org/wiki/Bauhaus) 1910, 1919 oder 1925 gegründet wurde, mußte ich aber passen. 1919 ist richtig laut Wikipedia. Es folgt ein Interview mit der Kulturbeauftragen der schwedischen Botschaft in Berlin, in dem die Frage beleuchtet wird, ob Berlin wirklich so hip in Kunstbelangen ist, wie man oft hört. Das wird im Prinzip bejaht. Danach kommt ein völlig sinnloser Artikel über den Koch eines hiesigen Gourmetrestaurants. Dieser lebt seit 25 Jahren in Schweden, kommt aber aus Deutschland, was ihn wohl für diese Beilage qualifiziert. Akribisch wird sein geregelter Tagesablauf dargestellt und vielleicht will man ja damit auf die deutsche Pünktlichkeit, Ordnung und Disziplin hinweisen. Weiß der Geier. Der längste der Artikel führt in einer Rundreise an vier Stellen, die exemplarisch für ganz Deutschland stehen sollen. Das gelingt sogar recht gut, wie ich finde. Anfang und Ende der Reise ist Berlin, wo es zuerst um die Imagekampagne “Land der Ideen” und die Wichtigkeit des Fußballs geht, inklusive des “Wunders von Bern”, und zum Schluss um Multikulti in Kreuzberg und um den unter den Teppich gekehrten Rechtsextremismus. Durchaus aktuelle Themen also, die das widerspiegeln, was man auch in Deutschland aus den Medien hört. Erste Zwischenstation ist die Zeche Zollverein in Essen; der Wandel dort wird erklärt. In Frankfurt geht es um schnelllebiges Bankenleben und um Forschung. Die Exzellenzinitiative für die Unis wird genannt – soetwas gibt es in Schweden auch – und über eine Gastforscherin kommt man zur Integration und dem Problem, das Deutschland mit seinem Selbstbild hat. Eine bunte Mischung an Themen, aber wie gesagt ziemlich nah am Zeitgeist. Auch in Ostdeutschland (Arnstadt) kommt man vorbei und interviewt eine hoffnungslos arbeitssuchende junge Frau, die wie so viele darüber nachdenkt, wegzuziehen. Je ein eigener Artikel widmet sich deutschem Film und der Musik. Im Filmartikel werden die Größen abgehandelt: angefangen mit Fritz Lang, Murnau, Marlene Dietrich, dann der Sprung in die 70er zu Fassbinder und dann zu Wenders. Das letzte Drittel widmet sich den aktuellen Stars (Twyker, Becker…) und nennt die erfolgreichen deutschen Filme der letzten Jahre. Da das alles in einer halben Seite abgehandelt wird, bleibt es leider bei Name-Dropping^1^. “*Krautrock kommt wieder*” ist die Überschrift des ebenso kurzen Artikels über deutsche Musik. Der Tenor ist wie erwartet, dass es lange recht traurig um deutsche Popmusik stand. Die Scorpions oder Enigma werden als Negativbeispiele genannt. Rammsteins Erfolg, auch im Ausland, wird gewürdigt und dann geht man auch schon in die Experimentell-Ecke, wo sich Deutschland unter anderem mit Kraftwerk, DAF und den Einstürzenden Neubauten einen Namen nicht nur in Schweden gemacht hat. Schlußwort des wiederum recht unbefriedigenden Artikels ist, dass es soetwas wie “authentisch deutsche Musik” gibt und dass sie recht weit gefächert ist. Toll. Der Artikel über den Koch wird dann an Sinnlosigkeit noch übertroffen, denn ein auf zwei Seiten gestreckter Artikel sagt in etwa dies: Von Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen aus kann man gut in den Alpen wandern. Wie gesund Wandern und Bewegung ist nimmt den halben Platz ein und was das gerade mit Deutschland zu tun hat, verstehe ich mal wieder nicht. Den folgenden Artikel über Mode aus Deutschland habe ich erst garnicht gelesen. Dass es neben der traditionellen und eher schweren Küche auch leichtere Speisen aus Deutschland gibt, sollen die fünf Rezepte zeigen, die vorgestellt werden: Man lernt wie man Hoppelpoppel, wie die Berliner anscheinend ein Omelette nennen, ein Spargelgericht, Spinatpfannkuchen, einen Sauerkrautsalad^2^ und Erdbeeren auf bayrische Art macht. Gegen Ende geht es um Wein. Zu Recht wird der deutsche Riesling in den höchsten Tönen gelobt und es werden ein paar Weine besprochen, die man in Schweden zu kaufen bekommt, z.B. einen guten Riesling Sauvage von [Breuer](http://www.georg-breuer.com/weingutphp/include.php?path=start.php) in Rüdesheim, der hier leider umgerechnet 11 EUR kostet. Sogar die fränkischen Silvaner aus meiner alten Heimat werden erwähnt. Ein gelungener Artikel zum Abschluss also. Wer bis hierher gelesen hat, hat hoffentlich einen Einblick bekommen, welche Themen den Schweden beim Thema Deutschland einfallen und wie die DN dieses in ihrer Beilage darstellt. Heraus kam eine Mischung aus Belanglosigkeiten und Relevantem und auch wenn man, wie oben getan, einiges kritisieren kann, gab es beim Lesen keine Gelegenheit für mich, in der ich aufschrie und dachte “Das stimmt jetzt aber gar nicht!”. Es ist alles in allem ein wohlwollender Blick auf den großen Nachbarn im Süden und das entspricht wohl auch der Einstellung der meisten Schweden. [1] Kennt jemand eine gute Übersetzung von *Name-Dropping*? [2] Es wäre ja auch schade gewesen, wenn sie Sauerkraut als Klischee vergessen hätten.