US-Diplomatie über Schweden

Wer in den letzten Tagen und Wochen nicht den Kopf im Sand hatte, sollte mitbekommen haben, dass den USA zahlreiche diplomatische Berichte abhanden gekommen sind und via WikiLeaks ^*^ unter anderem dem SPIEGEL zugespielt wurden. Was darin alles über die deutsche Politik steht, ist dort ausführlich genug zu lesen; hier soll es um das Bild von Schweden gehen, das die Dokumente aufzeigen.

Zur Zeit sind nur sechs Berichte aus der Stockholmer US-Botschaft ^*^ öffentlich. Wenn man diese Zahl mit dem Verhältnis zur Gesamtzahl extrapoliert, wird es am Ende auf über tausend Stück hinauslaufen. Für Aufmerksamkeit haben hierzulande bisher folgende Details gesorgt:

  • Norwegen hat Schweden mit Hilfe der USA hintergangen. Schweden hätte gerne gesehen, dass Norgwegen die hiesigen JAS Gripen Kampfflugzeuge gekauft hätte anstatt der amerikanischen. Aus einem Bericht geht hervor, dass die USA deshalb die Lieferung eines Radars für den Gripen verzögerten und dass die Norweger insgeheim schon deren Modell gewählt hatten, als sie offiziell noch das schwedische Angebot prüften.
  • Schweden als heimliches NATO-Mitglied. Vor dem Besuch von Reinfeldt in Washington warnte der schwedische Botschafter, dass man ihm nicht öffentlich für die gute Zusammenarbeit in Sicherheitsaspekten danken solle, weil ihm dies daheim Schwierigkeiten machen könne. Etwas unwissend wird da berichtet, die schwedische Regierung belüge mit dem Anschein der Neutralitätspolitik und Bündnisfreiheit ihr Volk, denn Schweden ist – vor allem wegen der EU – schön länger ganz offiziell nicht mehr neutral.
  • Die Beschreibung von Außenminister Bildt als “mittelgewichtiger Hund mit der Attitüde eines großen” (medium size dog with big dog attitude) wurde mit Humor genommen. Bildts eigene Reaktion war, er wisse nicht, von welchem Hund die Rede war, er sei schließlich kein Zoologe. Ein Pudel sei er aber sicher nicht. (“Einen Pudel machen” ist ein Ausdruck im Schwedischen der in etwa “sich Asche aufs Haupt streuen” entspricht.) Ansonsten kam Carl Bildt ziemlich gut weg, es wurde explizit gewarnt, dass man sich auf Trefen mit ihm sehr gut vorbereiten müsse, weil er sehr belesen sei, gute Kontakte habe und sein Gegenüber gern teste.
  • Im Zusammenhang mit einem Skandal, der in Norwegen anfing und in dem es um die Überwachung von Bürgern seitens der Botschaften in beiden Ländern geht, kam heraus, dass die schwedische Regierung sehr wohl von diesen Aktivitäten wusste.
  • Ein Bericht handelt davon, wie Schweden genug kritische Fragen stellte und sich nicht einfach abspeisen ließ, als die CIA 2006 ihre geheimen Flüge mit Gefangen via Schweden durchführte. Dies führte zur Einstellung der Flüge.
  • Es wurde vorgeschlagen ^*^, dass Schwedens Kommunikationsinfrastruktur, zum Beispiel das Glasfasernetz von TeliaSonera, auf die Liste mit für die USA kritischer Infrastruktur zu setzen, weil Schweden ein wichtiger Knoten sei und die USA mit dem Baltikum und Russland verbinde. Außerdem auf die Liste solle eine schwedische Pharmafabrik, die ein wichtiges Mittel zur Hilfe bei einem Nuklearunfall herstelle.
  • Zuletzt in der bisherigen Liste gibt es noch den Bericht ^*^ über ein Treffen von Oppositionschefin Mona Sahlin mit der amerikanischen Botschaft, in dem sie um Schützenhilfe bei der Meinungsbildung bat und sich als starke Unterstützerin für den Militäreinsatz in Afghanistan gab.

Viel des oben genannten war schon zuvor bekannt, zumindest wurde darüber spekuliert. Wie skandalös die einzelnen Punkte sind hängt jeweils davon ab, wie sehr sich das öffentlich gesagte mit dem deckt, was im Hinterzimmer besprochen wird. Bisher musste sich hierzulande niemand groß verteidigen.

^*^Die Links gehen zu einem Spiegel von wikileaks.ch. Weitere Spiegel-Seiten hier.

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