Wer trotz der Aufmerksamkeit der letzten Monaten noch nichts von Wikileaks gehört hat, dem sei kurz gesagt, dass es sich dabei um einen Zusammenschluss von Aktivisten handelt, die eine sichere technische Infrastruktur bereitstellen, über die Leute, die Zugang zu internen Dokumenten haben und mit deren Veröffentlichung Missstände aufdecken wollen, selbige anonym ans Licht der Welt bringen können. Der deutsche Wikipedia-Eintrag gibt einen guten Überblick, was die kleine Organisation schon alles erreicht hat. Das bisher beste Interview mit Wikileaks Frontfigur Julian Assange gab es neulich bei TED.
Mit Schweden hat Wikileaks insofern zu tun, als dass sie versuchen, die Jurisdiktionen mehrerer Länder auszunutzen, die starken Schutz für Quellen und investigativen Journalismus in ihren Gesetzen stehen haben. Schweden gehört mit seiner Meddelarfrihet, die hier im Blog schon einmal Wort der Woche war zu diesen Ländern und so kommt es, dass es unter anderem ein kleinerer schwedischer Internetdienstleister (bei mir um die Ecke in Stockholm/Solna) ist, der die ehemals geheimen Dokumente in alle Welt ausliefert.
Dazu gibt es auch gleich Spekulationen, inwieweit dies ein Thema auf politischer Ebene zwischen Schweden und den USA ist. Für letztere wurde Wikileaks nämlich durch das Material zu Irak und Afghanistan etwas mehr als unbequem und man versucht gegen den Boten vorzugehen, anstatt die Missstände zu beheben. Der schwedische Außenminister Bildt will von solchen Gesprächen jedoch nichts wissen.
Gleichzeitig wird angezweifelt, ob der Quellenschutz des schwedischen Grundgesetzes wirklich gilt, bloß weil die Server in Schweden stehen. Wikileaks müsse dafür hierzulande mindestens als Herausgeber anerkannt werden und das entsprechende Stück Papier (utgivnigsbevis) besitzen.
Nichtsdestotrotz finde ich es schön, dass meine Wahlheimat ihren Teil dazu beiträgt, Wikileaks möglich zu machen, das ich für die wichtigste Neuerung der letzten Jahre halte, was das Zusammenspiel von Medien und Politik angeht.
Nachtrag 100814: Julian Assange ist zur Zeit in Schweden und gibt Vorträge und Interviews. Heute war er Titelbild und -geschichte der größten schwedischen Tageszeitung. Nach seiner Aussage sind Schweden und Island die Länder, die Wikileaks am positivsten gegenüberstehen. Dass man Geheimnisaufdecker im Land des Öffentlichkeitsprinzips mag, ist wohl auch nicht ganz überraschend.
Assange hat außerdem angekündigt, dass er bald eine zweimonatliche Kolumne im Aftonbladet schreiben wird.