Der Parteichef der schwedischen Folkpartiet, die in Ausrichtung und
Stimmenanteilen etwa der deutschen FDP entspricht, hat heute morgen
seinen Rücktritt vom Parteivorsitz angekündigt.
Mehrere Lokalverbände hatten sich dahingehend geäußert, Lars
Leijonborg auf dem
Parteitag im Herbst gerne nicht noch einmal zu wählen. Als jetzt auch
der große Stockholmer Verband auf diese Linie einschwenkte, zog er die
Konsequenzen. Leijonborg war immer wieder in der Kritik im Rahmen der
Affäre um die Bespitzelung der
Sozialdemokraten,
deren Prozess vor kurzem begonnen hat. Allgemein scheint es jedoch auch
ein Bedürfnis nach frischem Blut in der Folkpartiet zu geben, die
Leijonborg seit zehn Jahre führt.
Näheres, wohl auch zu seinem Amt als Ausbildungs- und
Forschungsminister, soll auf einer Pressekonferenz am Nachmittag bekannt
werden.
Im Schwedischen ist hav das “Meer” und torn bedeutet “Turm”.
Havtorn ist jedoch mitnichten das schwedische Wort für “Leuchtturm” –
die nennt man fyr – sondern torn kommt in diesem Fall von törne,
also “Dorn”. Es handelt sich bei havtorn nämlich um ein Gewächs,
genauer gesagt den Sanddorn.
Dieser ist einigermaßen typisch für die Küste von Uppland, wo die
gelb-orangefarbenen Beeren im Herbst beim ersten Frost gepflückt werden.
Diese sind im reifen Zustand nämlich so weich, dass man sie zerdrücken
würde, wären sie nicht gefroren. Gestern habe ich zum ersten Mal Saft
aus den Beeren des Sanddorns getrunken. Lecker. Der Geschmack liegt
erstaunlicherweise genau wie erwartet auf halbem Weg zwischen Orangen
und Hjortron.
Der schwedische Außenminister Carl Bildt schreibt weiterhin fleißig in
sein Blog. Er kommentiert dort vor
allem seinen Tagesablauf, aber auch die Medienberichte über ihn selbst.
Bildts Blog hatte in den drei Monaten, die es besteht, rund eine Million
Besucher und war auch hier schon öfter
Thema.
Die meisten von Bildts regelmäßigen Einträgen bekommen eine mittlere
zweistellige Anzahl an Kommentaren – über hundert Kommentare sind aber
auch keine Seltenheit. Nach eigener Aussage kümmert er sich alleine um
das Blog und hat keine Hilfe bei der Sichtung und Moderation der
Kommentare. So kam es auch, dass sich vor einem Monat zu einem Beitrag
über die neue palästinensische
Regierung
Kommentatoren einfanden, die Aussagen von sich gaben, die klar
volksverhetzend sind. Unter anderem wird zum Völkermord an den
Palästinensern aufgerufen.
Ein schwedischer Blogger hat sich auf das Thema eingeschossen und Bildt
deswegen
angezeigt.
Auch nach schwedischem Recht hat der Betreiber einer
Diskussionsplattform die Pflicht, volksverhetzende Texte zu entfernen.
Nach über einem Monat sind die fraglichen Kommentare jedoch immer noch
zu sehen. Prinzipiell könnte Bildt dafür eine Gefängnisstrafe bekommen.
Die Anzeige hat es mittlerweile in die Boulevardpresse
geschafft und im heutigen
Samstagsinterview von Sveriges Radio
(Real-Stream,
MP3 –
19MB)
brachte der Reporter Bildt gehörig in Bedrängnis, als er das Thema
ansprach. Bildt versuchte, sich damit herauszureden, dass eine Löschung
der Kommentare nicht mehr viel bewirke, da sie ja mittlerweile in den
Archiven der Suchmaschinen zu finden seien. Auf die Frage, ob es
angebracht sei, auf der Seite des schwedischen Außenministers
volksverhetzende Aussagen zu finden, wusste er dann aber keine gute
Antwort mehr. Er habe Kommentare ohne vorherige Registrierung inzwischen
abgeschaltet, aber sich bei wordpress.com anzumelden ist keine Kunst und
erleichtert allenfalls den vorübergehenden Ausschluss einzelner
Kommentatoren.
Ich sehe voll und ganz ein, dass Bildt selbst nicht dazu kommt, alle
Kommentare zu lesen und fände es auch sehr schade, wenn er die harte
Lösung wählen und die Kommentarfunktion deaktivieren würde. Man könnte
jedoch annehmen, dass er in seiner Position jemanden beauftragen könnte,
auf die Kommentare ein Auge zu haben oder sie sogar zu moderieren.
Nachtrag, 25.04.07, 08:05: Das Interview gibt es mittlerweile auch als
MP3. Link ist oben eingefügt.
Ikeabana: Schwedisch-Japanische Blumensteckkunst mit bebilderter
Anleitung.
Da sei hinzugefügt, dass ein Schwede sich beim Anblick diesen Worts
fragen würde, ob Ikea jetzt unter die Zugbetreiber gegangen ist. Bana
bedeutet nämlich “Bahn”.
Thåström ist wichtig. Sogar sehr wichtig für die schwedische Musik der
letzten drei Jahrzehnte, auch wenn er außerhalb des Landes recht
unbekannt ist. Wer in Schweden an Punk denkt, denkt an Ebba Grön.
Jeder kennt Imperiet und auch die Soloprojekte von Joakim Thåström
waren erfolgreich. Doch der Reihe nach.
Thåström ist Jahrgang ‘57, wurde also gerade 50 Jahre alt. Aufgewachsen
ist er in und um Stockholm und seine erste Band nannte sich Helt
Sonika (dt: “ganz einfach”). 1977 gründete er zusammen mit Gunnar
Ljungstedt und Lennart Eriksson die Punkband The Haters. Schon nach
anderthalb Wochen benannten sie sich um – in Ebba Grön. Der Name
kommt von einem Polizeieinsatz, in dem verhindert wurde, dass der
Deutsche Norbert Kröger die damalige schwedische Einwanderungsministerin
Anna-Greta Leijon entführte. Kröger war Mitglied der Bewegung 2.
Juni, die später in der
RAF aufging. “Ebba Röd” war der Kodname der Polizei für die Verhaftung
Krögers und nach der erfolgreichen Durchführung wurde im Radio “Ebba
Grön”^1^ ausgerufen.
Ebba Grön, deren Mitglieder bald die Spitznamen Pimme,
Gurra und Fjodor bekamen, wurde die erfolgreichste schwedische
Punkband und die Texte waren genretypisch geprägt von Anachismus,
Kapitalismus- und Staatskritik (z.B. das Lied Staten och Kapitalet)
und Provokation (Ung och Kåt, zu deutsch: “jung und geil”). 1981 kam
noch Stry Terrarie dazu. Joakim “Pimme” Thåström war als Sänger und
Gitarrist der Vordermann der Truppe.
Das Lied, das man heute noch am häufigsten hört, ist **800 Grader**, ein
Lied über den zur Zeit des kalten Krieges befürchteten Atomkrieg:
([Direktlink](http://youtube.com/watch?v=R-yS5eMY2PU). Mit besserem
Sound aber nur mit Standbild gibt es *800 Grader* noch
[hier](http://youtube.com/watch?v=8kqq-2O-iAs))
1980 starteten Thåstöm und Terrarie ein Nebenprojekt, **Rymdimperiet**
(“Weltraumimperium”), zusammen mit Christian Falk. Als 1983 Ebba Grön
aufgelöst wurde, weil Fjodor des Erfolges überdrüssig geworden war,
benannte sich Rymdimperiet zu **Imperiet** um und nahm den Schlagzeuger
Gurra von Ebba Grön mit.
Thåström war wiederum der Sänger und seine unverwechselbare Stimme ist
die Konstante durch alle seine Projekte. Imperiet nahm mehr
elektronische Elemente in ihre Musik auf und wem die “Greatest Hits”-CD
in die Hände fällt: kaufen!
Bekannte Lieder von Imperiet sind unter anderem *Alltid rött, alltid
rätt*, *Du ska va president*, *Fred* und *C.C. Cowboys*. Letzteres
handelt von den “Coca Cola Cowboys”, die als Gegenstück zu den
“Kalashnikov Comrades” den amerikanischen Imperialismus symbolisierten.
Später nannten einige Norweger ihre Band nach diesem Lied.
1988 veröffentlichten Imperiet ihr letztes Album und gaben ihr letztes
Konzert. Schon im nächsten Jahr veröffentlichte Thåström seine erste
Soloplatte **Thåström**, die mit den langsamen Liedern *Karenina* und
*Alla vill till himlen* auch erfolgreich war. Auch der Rest des Albums
ist sehr zu empfehlen, allerdings verpasst man ohne Schwedischkenntnisse
viel von den gesellschaftskritischen Texten.
Von 1992 bis 1997 wechselte Thåström von Schwedisch zu Englisch und war
in den Niederlanden Teil von **Peace, Love and Pitbulls**, deren Musik
wohl mit “industrial rock” am besten umschrieben wird. Ich kenne diese
Band nicht wirklich, aber Marilyn Manson nennt sie wohl als eine seiner
Inspirationsquellen.
Es folgte eine weitere Zeit als Soloartist in schwedischer Sprache.
Unter anderem gab er 1999 das Album **Det är ni som e dom konstiga det
är jag som e normal** (“Ihr seid es, die komisch sind, ich bin normal”)
heraus und tourte einige Jahre später mit *Kent*, den *Hellacopters* und
*Mando Diao*.
Aus dieser Zeit: Thåström – Vacker Död Stad.
([Direktlink](http://youtube.com/watch?v=4cBerNZ6efI))
Thåströms neueste Band nennt sich
[**Sällskapet**](http://www.myspace.com/sallskapet) (“die Gesellschaft”)
und das gleichnamige Album kam vor wenigen Wochen heraus. Die erste
Singel heißt *Nordlicht* und handelt von St. Pauli in Hamburg:
([Direktlink](http://youtube.com/watch?v=UMiCATqqLKc))
Und wer bis hierher gelesen hat, ohne sich die Videos anzuschauen, möge
sich die Viertelstunde nehmen. Thåström rockt!
^1^ grön = grün, röd = rot.
Es kann sein, dass mein Bild aus der Jugend verklärt ist, aber ich
meine, dass man sich auf die deutsche Wettervorhersage im Großen und
Ganzen verlassen konnte. Ich finde, dass die schwedische öfter daneben
liegt.
Die offizielle Prognose kommt von Sveriges meteorologiska och
hydrologiska institut (SMHI), dem schwedischen
Pendant zum Deutschen Wetterdienst (DWD). Die Suchmaske des
SMHI,
in der man seine Stadt eingeben kann, wird von vielen anderen Seiten
eingesetzt.
Gestern lagen sie wieder einmal ziemlich daneben. Für Uppsala war
Bewölkung vorhergesagt, vormittags sogar wechselnde Bewölkung. Schon
während ich zur Arbeit radelte, fielen allerdings die ersten
Regentropfen. Um die Mittagszeit regnete es mehr. Für den Abend war
immer noch kein Niederschlag angekündigt. Meinen Heimweg durfte ich
trotzdem durchnässt im strömenden Regen verbringen und als ich mich
wunderte, warum die Tropfen zusätzlich zur Kälte auch noch besonders
hart auf meine Hände am Fahrradlenker schlugen, stellte ich fest, dass
es hagelte.
Ich kam gerade noch heim, bevor das Gewitter endgültig losbrach, die
Hagelkörner immer größer wurden und alles mit einer zentimeterhohen
Schicht eindeckten. Das Internet fiel aus. Es regnete den ganzen Abend
heftigst weiter und sogar heute liegt der Hagel noch auf Wiesen und am
Straßenrand.