Wahlkampf eröffnet

Wie erwartet stürzt sich die schwedische Politik nach dem Ende der EU-Ratspräsidentschaft in den Wahlkampf. Am 19. September sind sowohl Reichstags- als auch landesweite Kommunalwahlen.

Zum Auftakt gab es gleich mehrere Fernseh- und Radio-Duelle der sieben Parteivorsitzenden. Die regierende bürgerliche Allianz aus Moderaten, der liberalen Volkspartei, Zentrum und Christdemokraten tritt wieder gemeinsam an. Neu ist, dass die bei weitem größte Partei, die Sozialdemokraten, diese Strategie nachahmen und sich schon jetzt deutlich mit den Grünen und der Linkspartei verbündet.

Das hauptsächliche Unterscheidungsmerkmal de beiden Blöcke sind bisher die Steuern: Die Allianz will weiter senken; der linke Block will erhöhen. Ja, in Schweden kann man mit Steuererhöhungen zur Wahl gehen, ohne dass das automatisch einem Todesstoß gleichkommt. Solidarität ist zwar ein abgenutzter Begriff, wird aber weiter hochgehalten. Das Argument der Sozialdemokraten ist, dass die Bürgerlichen den Sozialstaat zu weit eingeschränkt haben, um damit Steuervorteile für Besserverdienende zu finanzieren. Einzelne Fälle, in denen Langzeit-Krankgeschriebene trotz offensichtlicher Beschwerden (z.B. Krebskranke) zu Arbeit gezwungen wurden, werden gerne angeführt, um für eine Lockerung der von der Allianz verschärften Bedingungen zu werben.

Gleichzeitig dreht sich die Diskussion um die Deutungsherrschaft des derzeitigen Zustands von Schweden. Die Regierung kann mit einiger Glaubwürdigkeit sagen “Schaut her, wir haben die Wirtschaftskrise mit viel Stimulanz abgefedert und uns trotzdem nicht überschuldet. Die Wachstumsvorhersagen sind glänzend und die für die Arbeitslosigkeit auch.”

Umfragen zufolge schrumpft der Vorsprung des linken Blocks und der Ausgang der Wahl ist offen. Die bisherigen und zukünftigen Artikel zum Thema sind unter dem Schlagwort Wahl 2010 gemeinsam aufrufbar.

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Globen

Ich sehe ihn zwar jeden Morgen vom Frühstückstisch aus; drinnen im größten kugelförmigen Gebäude der Welt, dem Globen im Süden Stockholms, war ich jedoch noch nie – bis gestern Abend. Die mit 15.000 Menschen an den hohen Rängen und auf dem “Parkett” vollbesetzte Arena war durchaus beeindruckend. Und der Anlass des Kommens erfüllte auch die Erwartungen: Depeche Mode spielten.

Am Freitag eröffnet auf dem Globen eine neue “Attraktion” Stockholms. Man kann in einer Glasgondel außen an der Kugel entlang hochfahren und sich von da die Stadt von oben angucken. SkyView nennt sich das dann.

Und jetzt noch ein Video-Ausschnitt des Konzerts von gestern:

[Videolink](http://www.youtube.com/watch?v=xD-x6oekgl4)

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Skridskoåkare

Schlittschuhläufer

Man beachte die vorbildliche Ausrüstung:

  • Eisstäbe zum Prüfen der Eisstärke. (Nebeneffekt ist, schneller/stabiler vorwärts zu kommen).
  • Kleine Eispickel (isdubbar) um den Hals. Mit denen hat man eine Chance, sich nach einem Einbruch aus dem Wasser aufs Eis zu ziehen.
  • Wurfbares Seil außen am Rucksack. Dieses ist am Hüftgurt festgemacht (optimalerweise auch durch einen Karabiner oben am Schultergurt geführt) und kann sowohl vom im Wasser liegenden als auch vom Retter dem jeweils anderen zugeworfen werden.
  • Rucksack mit wasserdicht verpacktem komplettem Satz Kleidung. Der Inhalt ist selbsterklärend nützlich; der Rucksack gibt auch zusätzlichen Auftrieb im Wasser und hat bestenfalls einen Gurt durch den Schritt, damit er nicht nach oben rutscht.
  • Ein Mitfahrer. Man sollte nie alleine aufs Eis.
  • Nicht im Bild: Wissen und Können. Für Neulinge gibt es sehr aufschlussreiche Büchlein zur Eiskunde, also wie man gefährliche Stellen erkennt, wo sie üblicherweise auftreten und wie man sich verhält. Und Erfahrung bekommt man mit der Zeit, auch auf von Vereinen organisierten Ausflügen. Für erfahrene Gruppen ist es nur ein kurzer Aufenthalt, wenn einer einbricht. Rausziehen, umziehen, weiter. Man wagt sich im Schärengarten der Ostsee aufs frisch gefrorene Eis an der Grenze zum offenen Wasser – dort ist das schneefreie, beste und glatteste Eis. Manche fahren auch gleich in Neopren-Anzügen.

    Ich war diese Saison schon mehr als zehn mal auf dem Eis in unserer Nähe, wo die Gemeinden breite Bahnen vom Schnee räumen. In weniger als zwei Wochen werde ich am [Krogrännet](http://www.krogrannet.se/2010/krog2010_in2.htm) teilnehmen, einem organisierten Lauf über vier Seen/Buchten im nördlichen Stockholm (34 km gesamt, davon 6 über Land). Auch für das [Vikingarännet](http://www.vikingarannet.com/) über die 80 km von Uppsala nach Stockholm sind die Voraussetzungen heuer dank der frühen und andauernden Kälte gut. Allerdings soll es ab heute wieder viel schneien… Bisheriges zum [Thema Eislaufen](http://www.fiket.de/tag/eislaufen).
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Spyker kauft Saab

Die Gerüchteküche brodelte weiter, auch nachdem General Motos vor fünf Wochen die Abwicklung der schwedischen Automarke Saab bekannt gab. Und gestern Abend kam dann der von vielen erhoffte Bescheid: Die kleine holländische Edelmarke Spyker hat genug Geld in Form von Krediten zusammengekratzt, dass man GM ein akzeptables Angebot für die Marke Saab, inklusive Fabrik in Trollhättan, machen konnte.

Bemerkenswert ist dabei, dass die bürgerliche schwedische Regierung, die eigentlich aus Prinzip gegen staatliche Hilfen ist, über die europäische Investmentbank dann doch Kreditgarantien in Höhe von 400 Millionen Euro machte. Dass Spyker das Geld nicht auf dem freien Markt zusammenbekam, zeigt für wie unsicher die Zukunft eines eigenständigen Saab gehalten wird.

Doch zunächst herrscht Freude bei Politikern und Beschäftigten. Saab wird also – solange es gut geht – weiter Autos produzieren und verkaufen, das neue Modell des 9-5 steht in den Startlöchern.

Mehr zum Thema auch bei ZEIT und SpOn.

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Goldkäfer

Gestern Abend fand die jährliche Verleihung des Guldbagge (“Goldkäfer”) statt – des wichtigsten schwedischen Filmpreises, vergeben vom schwedischen Filminstitut.

2009 war ein sehr erfolgreiches Filmjahr für schwedische Filme und die guten Besucherzahlen haben Geld in die filmfördernden Institutionen gebracht. Verdanken ist das nicht nur, aber auch nicht zu geringen Anteilen der Millennium-Trilogie von Stieg Larsson. Deren erster Teil, Män som hatar kvinnor, hat denn auch den Goldkäfer für den besten Film eingeheimst. Zusätzlich wurde Hauptdarstellerin Noomi Rapace als beste weibliche Hauptdarstellerin ausgezeichnet.

Letzteres war keine Überraschung. Dass die Jury jedoch auch beim besten Film ganz auf die Linie des Publikums einschwenkte, anstatt einen der starken Konkurrenten wie I taket lyser stjärnor oder Flickan zu belohnen, erntete ein wenig Kritik. Als bester ausländischer Film wurde der schon viel gerühmte deutsche Film Das weiße Band ausgezeichnet, den ich hoffentlich bald zu sehen bekomme.

Heute Abend werde ich jedoch erst einmal den letzten Teil der Millennium-Trilogie im Kino anschauen: Luftslottet som sprängdes (“Das gesprengte Luftschloss”). Für den scheint der deutsche Titel und Kinostart noch nicht festzustehen, aber in zwei Wochen läuft der zweite Teil (Flickan som lekte med elden, wörtlich “Das Mädchen, das mit dem Feuer spielte”) unter dem Titel Verdammnis in Deutschland an.

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StreetView Schweden

Seit heute ist Google StreetView für mehrere schwedische Städte verfügbar, zum Beispiel Stockholm. Allerdings waren, wie gesagt, die beiden lokalen Dienste Eniro und Hitta mit so gut wie identischen Straßenbildern schneller.

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Weg mit dem Biosprit!

Vor einiger Zeit schrieb ich zum Thema klimatsmart:

Was das Auto angeht, liegt einiges im Argen. Man hat nämlich jahrelang auf den "Biokraftstoffâ€? Ethanol gesetzt und den steuerlich mehrfach begünstigten Begriff "Umweltautoâ€? (Miljöbil) auf seltsame Weise definiert. So kommt es zum Beispiel, dass ein Volvo Diesel mit unter 5 Litern Verbrauch kein Umweltauto ist, während der Benziner mit 75% mehr Verbrauch eines ist – weil man ihn auch mit Ethanol betanken kann. Man kann mit einem solchen "Umweltautoâ€? allerdings unkontrolliert und ausschließlich fossiles Benzin tanken und trotzdem die Prämie beim Einkauf, die niedrigere Steuer und die Befreiungen von der City-Maut in Stockholm und von Parkgebühren einstreichen.

Neben dem moralischen Problem, die Erträge unserer Böden zu verfeuern anstatt zu essen, kamen in den letzten Jahren auch Zweifel daran auf, ob die einfache Rechnung stimmt, dass Biokraftstoffe beinahe CO2-neutral sind, weil sie beim Verbrennen nur das freigeben, was sie beim Wachsen aufgenommen haben. Eine neue Studie zeigt jetzt, dass das schwedische Ethanol-Programm in den letzten zehn Jahren 20 Millionen Tonnen mehr CO2 verursacht hat als wenn man die Autos mit fossilem Benzin betankt hätte. Das kommt vor allem durch die Abholzung von Wäldern, um Flächen für die Energiepflanzen zu gewinnen.

Da es also offenbar nicht nur nichts bringt, sondern sogar schädlich ist, Autos mit “Bio”-Kraftstoffen zu tanken und weil außerdem alle landwirtschaftlich nutzbaren Flächen der Welt nicht reichen, die Autoflotte zu versorgen, sollte man mit diesem Umsinn schnellstens aufhören. Doch es gibt bisher keine politische Initiative in Schweden, die andauernden Subventionen für diese “Umweltautos” abzuschaffen. Stattdessen wächst ihr Anteil weiterhin. Nicht gerade klimatsmart.

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Europe - The Final Countdown

Ich war eben dabei, das Video zu New Love In Town, der aktuellen Single von Europe (ja, die gibt es immer noch!) aus der schwedischen Hitparade, hier einzubetten. Dann fand ich das Lied aber doch zu theatralisch-”cheesy” und spiele lieber nochmal The Final Countdown.

[Videolink](http://www.youtube.com/watch?v=xTpy-pf_6dc)

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Vorratsdaten vs. IPRED

Die EU-Richtlinie IPRED ist in Schweden seit letztem Jahr in Kraft und hat kurzzeitig für einen Einbruch im Tausch von Musik und Filmen über das Internet gesorgt. Vereinfacht gesagt sorgt IPRED dafür, dass Musik- und Filmindustrie von Internetanbietern die Personalien von Nutzern verlangen können, wenn sie behaupten, diese hätte ihre Urheberrechte verletzt.

Interessanterweise ist die Vorratsdatenspeicherung, also die EU-Richtlinie, dass die Verbindungsdaten von Kommunikation eine gewisse Zeit lang gespeichert werden müssen, noch nicht in schwedisches Recht umgesetzt. Internet-Provider brauchen die Daten, die man per IPRED von ihnen verlangen kann, also gar nicht erst zu speichern.

Eine spannende Wende hat der ehemals staatliche Netzbetreiber TeliaSonera dieser Tage in die Argumentation gebracht, indem er sich weigert, einer IPRED-Forderung nachzukommen, gerade weil dies dem Schutz der Privatsphäre des Kunden nach den Regeln der Vorratsdatenspeicherung widerspräche. TeliaSonera greift also dem schwedischen Gesetzgeber voraus und findet, die Vorratsdatenspeicherung in Schweden schon gilt, auch wenn sie noch nicht in lokales Recht umgesetzt ist.

Das Verfahren ist in Berufung und sein Ausgang könnte das IPRED-Gesetz schlicht unwirksam machen.

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