Heuer habe ich noch keine gesehen, das Bild ist vom letzten Jahr. Lange werden sie aber wohl nicht mehr brauchen.
Laut den Zahlen des Eurobarometers schauen Schweden um einiges positiver in die Zukunft als Deutsche oder andere Europäer. Gut 60 Prozent (gegenüber knapp 30 für DE/EU27) glauben, dass die kommenden 12 Monate besser werden als bisher. Über die Hälfte der Schweden findet, dass es sowohl im eigenen Land als auch in der EU generell in die richtige Richtung geht.
Vielleicht ist das ja einer der Faktoren, der zum anhaltenden Baby-Boom beiträgt.
Genauere und mehr Zahlen findet man in den vierseitigen Zusammenfassungen (PDF) für Schweden und Deutschland.
Schweden ist, anteilig am eigenen Wohlstand, einer der weltweit größten Geber von Entwicklungshilfe. Was welches Land für welche Bereiche im Laufe der Jahre von Schweden bekommen hat kann man sich in einer eigenen Unterabteilung von Gapminder ansehen, die die Zahlen interaktiv zugänglich macht.
Die bürgerliche Regierungskoalition hat diesbezüglich einiges verändert, bekommt jedoch von ehemaligen Chefs der Entwicklungshilfebehörde SIDA schlechte Noten für ihr Engagement. Der zuständigen Ministerin Carlsson werfen sie vor, nicht ernsthaft an den Voraussetzungen und Ergebnissen von Entwicklungshilfe interessiert zu sein und in die alte Linie der Partei Moderaterna zurückzufallen , die sich noch nie für dieses Thema erwärmen konnte.
Während der dritte Teil von Stig Larssons “Millennium-Trilogie” in Deutschland erst im Juni in die Kinos kommt, läuft die überaus erfolgreiche Reihe hierzulande gerade im Fernsehen. Und zwar nicht in der Kinoversion, sondern als knapp doppelt so lange sechsteilige Fernsehserie – zwei Samstagabende pro Buch. Die ersten vier (also die Handlung der ersten beiden Kinofilme bzw. Bücher) sind durch und wer Schwedisch kann, kann sie sich auf SVT Play ansehen oder via Pirate Bay herunterladen. Die restlichen Teile werden an den beiden kommenden Wochenenden ausgestrahlt.
[Videolink](http://www.youtube.com/watch?v=Hgo805MqRb8), [via](http://swedishmusicfordummies.blogspot.com/2010/03/hari-and-aino.html)
Mir ist dieser Tage etwas sehr Praktisches an der Tanke um die Ecke aufgefallen. Mag wohl sein, dass mir das lange Jahre entgangen ist, weil ich kein Auto mehr habe, oder dass es mittlerweile auch in Deutschland so üblich ist. Die Rede ist von Zapfsäulen für fertig gemischte Scheibenwaschanlagenflüssigkeit. Die stehen im richtigen Abstand zur “normalen” Säule, so dass man den Behälter unter der Motorhaube gleichzeitig mit dem Benzintank befüllen kann.
Zusätzlich ist Spolarvätska auch als Wort praktischer denn “Scheibenwaschanlagenflüssigkeit”.
Letztes Jahr fand Deutschland unter dem Schlagwort “Zensursula” die Debatte um die Einführung von Internet-Zensur “gegen Kinderpornografie” statt und der Konsens von allen, die sich eingehender mit dem Thema beschäftigt und keinen Grund haben, daraus politisches Kapital zu schlagen, war
(An wem das Thema vorübergegangen ist, der suche einfach nach “Zensursula”.)
Dieser Tage hat das Thema Netzsperren auf EU-Niveau einen neuen Aufguss erfahren, und zwar von der schwedischen Kommissarin Cecilia Malmström, die im wesentlichen den gleichen Vorschlag wie seinerzeit Ursula von der Leyen mit genausowenig fundierter Argumentation darlegte. Das brachte ihr in der für dieses Reizthema sensibilisierten deutschen Netzwelt innerhalb von Minuten den Spitznamen “Censilia” ein und die Aktiven machten sich trotz des verständlichen Frusts sofort an die Gegenargumentation. Kudos!
Bleibt zu hoffen, dass die Direktive im EU-Parlament hängen bleibt…
Mehr zu Censilia bei Netzpolitik und Twitter. Bei der schwedischen Piratenpartei scheint das alles bisher nicht angekommen zu sein.
Varg (gesprochen: warj) ist das schwedische Wort für den Wolf. Das Verhältnis der Schweden zu diesem Tier ist hochaktuell und hat in den letzten Monaten sowohl meterweise Zeitungsspalten gefüllt, als auch zu zahllosen lebhaften Diskussionen geführt. Anlass ist, dass zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Wölfe gejagt werden.
Doch der Reihe nach. Wölfe gab es geschichtlich schon immer in Schweden. Über die Jahrhunderte musste man seine Haustiere vor ihnen schützen, konkurrierte mit ihnen um andere Wildtiere und jagte sie als “Schädlinge”. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde man so gut darin, dass man Wölfe in Südschweden ausrottete. 1900 gab es nur noch um die 100 Tiere im Land und 1965, als man das “Kopfgeld” gegen gesetzlichen Schutz vor der Ausrottung eintauschte, nur noch etwa 10 Tiere. Seitdem versucht man einerseits, eine auf Dauer haltbare Wolfspopulation aufzubauen, und andererseits die Akzeptanz unter Schweden zu erhöhen.
Beides ist nicht einfach. Die Angst vor dem Wolf sitzt tief, wenn auch völlig unbegründet: Ein einziger Fall ist in Schweden bekannt, in dem ein Wolf einen Menschen getötet hat. Das war 1821 und der Wolf war in Gefangenschaft aufgewachsen. Unfälle mit Braunbären sind viel häufiger, deren Wahrnehmung ist jedoch eher vom Teddy-Bären geprägt denn vom Inbegriff des Bösen in volkstümlichen Geschichten und Märchen. Schwedens gefährlichste Tiere sind Wespen und Kreuzottern. Außerdem Elche – durch die zahlreichen Verkehrsunfälle.
Die Wolfspopulation wieder aufzupäppeln stieß auf vielerlei Schwierigkeiten. Zum einen basiert sie auf so wenigen Individen, dass Inzucht ein Problem ist. Die allermeisten schwedischen Wölfe sind stärker miteinander verwandt als Vollgeschwister. Einwanderung von Osten her über Finnland wird durch illegale Jagd erschwert. Die Rentier-Züchter im Norden haben ein Problem mit Wölfen, denn die seit etwa hundert Jahren (dank der faktischen Ausrottung der Raubtiere) mögliche Tierhaltung auf großen ungeschützten Flächen wird von den Samen vehement als “traditionell” verteidigt. Dass noch bis Ende des 19. Jahrhunderts stattdessen die Jagd auf wilde Rentiere Alltag war, wird bei der Diskussion um die Vorrechte der schwedischen Urbevölkerung oft unterschlagen.
Jedenfalls scheint unter mindestens einem Teil der Jäger und Waffenbesitzer das Motto sjkut, gräv och tig! (schieß, vergrab und schweig!) zu gelten, wenn es um Wölfe geht, und manche Wolfsspur im Schnee endet plötzlich auf der schwedischen Seite der Grenze zu Finnland. Etwa ein Zehntel der Wölfe wird jedes Jahr gewildert und es ist jedes Mal eine landesweite Nachricht wert, wenn ein Übeltäter erwischt wird.
Nichtsdestotrotz wurde letztes Jahr das vom Reichstag beschlossene Ziel erreicht, zweihundert Wölfe mit zwanzig Würfen in Schweden zu haben. Diese leben vorrangig nicht im nördlichen, sondern in Mittelschweden mit Konzentrationen in Värmland und Dalarna. Sogar ins Stockholmer Umland ist vor nicht allzu langer Zeit ein Pärchen gezogen.
Die Debatte, ob 200 Wölfe viel zu viel oder viel zu wenig sind, wie man Haustiere (v.a. Schafsherden) am besten schützt und wie man entstandene Schäden mit Steuergeldern ersetzen soll, ist andauernd und die Meinungen gehen stark auseinander. Von Forscherseite sieht man kein Problem mit ein paar tausend Wölfen und verweist auf Osteuropa, wo das ohne groß Aufhebens funktioniert. Die starke Lobby der Jäger bestärkt dagegen regelmäßig das Klischee der Schießwütigkeit; man möchte so gerne Wölfe schießen und sie außerdem schon gar nicht den Jagdbedarf an anderem Wild dezimieren lassen.
Verhärtet werden die Fronten in der Wolfsfrage zusätzlich dadurch, dass sie die Stadt- und die Landbevölkerung teilt. Schweden ist sehr urbanisiert und Umweltschutz ein wichtiges Thema. Die Zustimmung zu mehr Wölfen ist bei Stadtbewohnern größer als auf dem Land, von wo man das Argument hört, dass Städter ja leicht reden haben, sie aber nicht mit Wölfen vor der Haustüre leben müssten. Das Gegenargument, dass man seinen Wohnort den eigenen Vorlieben anpassen kann (wer Stadtlärm nicht mag, zieht aufs Land; wer irrationale Angst vor Wölfen hat, sollte vielleicht nicht in Värmland wohnen), wird dennoch von vielen als zynisch gesehen.
Weil das 200-Wölfe-Ziel überschritten war und um die Akzeptanz zu erhöhen, hatte die zuständige Behörde für diesen Winter 27 Wölfe zum Abschuss freigegeben. Das ist die erste legale Jagd auf Wölfe seit 45 Jahren. 4500 (!) Jäger meldeten sich dafür an und dementsprechend war die Quote nach zwei Tagen erfüllt und die Jagd vorbei. Doch sie war Öl ins Feuer der öffentlichen Diskussion. Die Rechtfertigung von Umweltminister Carlgren, dass die Jagd gut für die von Inzucht geschädigte Population sei, wurde mehrfach widerlegt. Zum einen von Forschern, die darlegen, dass mehr eingewanderte Wölfe der einzig gangbare Weg sind; zum anderen durch die Untersuchung der geschossenen Wölfe, die sich als völlig gesund erwiesen. Außerdem gab es keinerlei Vorgaben, die Nachkommen der wenigen Neuankömmlinge (die es durch Norrland nach Mittelschweden geschafft haben) von der Jagd auszunehmen. Dass keine von diesen “genetisch wertvolleren” Tieren geschossen wurden, war Zufall. Kritik an der Jagd kam zusätzlich von so gut wie allen nationalen und internationalen Naturschutzorganisationen: Schweden hat schließlich die Jagd auf eine bedrohte Tierart erlaubt.
Wie geht es nach dem Proteststurm weiter? Über eine Fortsetzung der Jagd ist noch nicht entschieden, aus dem Umweltministerium hört man jedoch, dass eine Voraussetzung der (künstlich verursachte) Zuzug von 20 Wölfen ist, um “frisches Blut” in den Wolfsstamm zu bringen und ihn damit robuster zu machen. Dies soll schon kommenden Winter geschehen. Vielleicht war es berechnende Taktik, mit der Jagd den Widerstand gegen mehr neue Wölfe bei der starken Jäger-Lobby aufzuweichen und ihnen durch den begleitenden Proteststurm gleichzeitig klarzumachen, wie viele Menschen mehr Wölfe in Schweden für eine gute Sache halten.
Die Öffentlichkeit hält jedenfalls ein wachsames Auge auf das Thema und es wird auch in kommenden Jahren nicht als medialer Dauerbrenner verebben.
Links und Quellen zum Thema: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19.
Dass ich hier seit drei Wochen nichts geschreiben habe, war nicht geplant. Ab und zu gibt es einfach wenig zu erzählen.
Wir befinden uns mitten in der – wie ich finde – hässlichsten Zeit des Jahres, geprägt von hohen schmutzigen Schneebergen die noch Wochen zum Tauen brauchen werden, von der Farbe Grau wohin man schaut und von Hundehaufen, die aus den schmelzenden Wegesrändern auftauchen. Schwedische Stadtbewohner sind in der Regel sehr gut darin, ihren Vierbeinern mit “Hundetüten” (hundpåsar) hinterherzulaufen, doch für die Schneeberge am Wegesrand scheint das nicht zu gelten. Was in den letzten Monaten darin versteckt lag, kommt jetzt zum Vorschein.
Immerhin scheint die Sonne in Östergötland, wo ich über Ostern bin, und ich habe die ersten Schneeglöckchen und Krokusse zwischen den immer schneller schrumpfenden Schneeverwehungen erspäht. Frühling will ich das allerdings noch nicht nennen. Auf der Ostsee liegt noch Eis so weit das Auge reicht.

Frohe Ostern euch allen!