Schweden am Pranger

Das Thema ist nicht neu, aber auch aufgewärmt nicht weniger wichtig:

Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen hat Schweden wegen der Abschiebung zweier Ägypter verurteilt. Wie das UN-Gremium in New York mitteilte, hat Schweden die Konvention gegen Folter verletzt. Die beiden Männer waren im November 2001 auf dem Flughafen Stockholm-Bromma Beamten des US-Geheimdienstes CIA übergeben und nach Ägypten ausgeflogen worden. Die CIA verdächtigte die Männer, an terroristischen Aktivitäten beteiligt zu sein. In ihrem Herkunftsland soll mindestens einer der beiden Ägypter von ägyptischen Beamten gefoltert worden sein.

(Bis auf Rechtschreibfehler vom SR zitiert)

Tagged , , ,

Nyamko Sabuni

Nyamko Sabuni ist Integrationsministerin. Sie ist außerdem afrikanischer Herkunft, nicht-praktizierende Muslimin und umstritten, weil sie sich nicht scheut, Meinungen zu vertreten, die in gewissen gesellschaftlichen Gruppen unpopulär sind. Sie setzt sich unter anderem für ein Kopftuchverbot von Mädchen unter 15 Jahren ein und für die Abschaffung von religiösen Schulen. Bei letzterem Punkt denke ich zwar eher an Livets Ord als an die Rekrutierung von muslimischen Selbstmordattentätern, wie Sabuni es tut, aber die Richtung stimmt.

Ob sie mit dem Vorschlag, Mädchen zu einer gynäkologischen Untersuchung zu zwingen, um Fälle von Genitalverstümmelung aufzudecken, zu weit ging, sei dahingestellt. Für eben diesen Tatbestand kann man übrigens in Schweden belangt werden, auch wenn es im Ausland durchgeführt wurde. Und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch wirklich: Die erste diesbezügliche Verurteilung war vor kurzem.

Etwas mehr über Sabuni hier.

Tagged , , ,

Hochhäuser von Flogsta verkauft

Flogsta
Hochhäuser

Die Hochhäuser mit Studentenwohnungen in Flogsta, einem Stadtteil am westlichen Ende von Uppsala, werden für eine Milliarde Kronen verkauft (S). Ich habe dort selbst mit Unterbrechung fast zwei Jahre gewohnt, mir mit jeweils 11 Leuten die Küche geteilt und den Flogstaschrei genossen.

Jedes Haus hat eine Sauna auf dem Dach, in der nach der Renovierung jetzt nicht mehr alles erlaubt ist. ;)

Tagged , ,

Turm zum Einfärben

Der Turm von Colour By Numbers, Bild: Malin Arnesson,
www.colourbynumbers.org

In Stockholm gibt es das Projekt Colour By Numbers. In einem Turm sind auf allen Stockwerken verschiedenfarbige Lampen angebracht, deren Farbe jedermann ändern kann. Nachdem man eine bestimme Nummer gewählt hat, kann man durch Tastendruck die Farbkanäle Rot, Grün und Blau der einzelnen Fenster regeln und so das momentane Aussehen des Turmes bestimmen. Eine Webcam gibt es natürlich auch.

Ich gebe zu, dass ich die Aktion Blinkenlights des CCC origineller fand. Ich habe zwar keine der beiden live gesehen, aber erstens gab es Blinkenlights schon vor fünf Jahren und zweitens stelle ich mir die Animationen auf der gesamten Hochhausfront abwechslungsreicher vor, als die Farbe des Turms zu ändern. Ich hätte gerne einmal auf dem Berliner Hochhaus Pong gespielt.

Wer trotzdem den Turm einfärben will: Die Nummer ist 0046 70 57 57 807. :-)

(via)

Tagged ,

Kurzfilmfestival

Wie schon erwähnt fand neulich das jährliche Kurzfilmfestival (S) in Uppsala statt. Gewinner (S), sowohl beim Jury- als auch beim Publikumspreis, war Medianeras des Argentiniers Gustavo Taretto.

Diesen habe ich verpasst, dafür habe ich mir eine der zweistündigen Zusammenstellungen mit Schwedischen Kurzfilmen, die die Welt erschüttert haben (S) angesehen. Mit dabei waren:

  • Bara Prata Lite (1997) von Lukas Moodysson, der (ebenfalls mit Sten Ljunggren als “Birger”) auch Tillsammans (dt. Zusammen) gedreht hat. Bara Prata Lite (“nur ein bisschen reden”) erzählt die düstere Geschichte eines völlig vereinsamten Mannes, dessen Verzweiflung sich in Gewalt entlädt.
  • Artisten (1987) von Jonas Grimås. Ein Film ohne Dialoge. Lennart Hjulström als “der Artist”, der zusammen mit Helge Skoog als Zöllner einen Stummfilm in Echtzeit vertont. Toll!
  • Johan Hagelbäcks animierter Film Renmärkning i Jukkasjärvi (1996) handelt keineswegs von der “Rentiermarkierung in Jukkasjärvi”, wie der Titel behauptet, sondern von einem überaus absurden Zahnarztbesuch, bei dem allerhand Blut vergossen wird.
  • A Woman’s Point of View During Sex (1992) von Ingrid Rudefors zeigt ein ziemliches Ekel von Mann und Sex mit diesem aus der Kameraperspektive der Frau. Leicht verstörend.
  • Gömd (2002) ist eine Mischung aus Animations- und Dokumentarfilm. Die Tonspur ist das Interview mit einem zwölfjährigen Kind aus Peru, das sich vor den Behörden verstecken muss. Zu sehen bekommt man eine im Comicstil gezeichnete Version der Ereignisse. Einerseits gut, dass man durch das Vermeiden echter Bilder dem Voyeurismus vorbeugt, andererseits war es trotzdem nicht viel mehr als der Versuch, mit Suggestivfragen Mitleid zu wecken.
  • In der Parodie Hem Ljuva Hem (Ulla-Carin Grafström, 1997, animiert) berichtet “Königin Silvia” mit ihrem typischen Akzent aus dem Alltag der Königsfamilie. Sehr witzig.
  • *Viktor Och Hans Bröder* (2002, Mårten Klingberg) war mit einer halben Stunde Laufzeit der längste Film der Vorstellung. Erzählt wird die Geschichte einer zerrütteten Familie, in der der Jüngste, Viktor, alle Hände voll zu tun hat, seine älteren Brüder von gegenseitigen Gewaltakten abzuhalten. Sehenswert. Leider scheinen die meisten der genannten Filme nicht im Internet zugänglich zu sein – wenn jemand mehr weiß, bitte [kommentieren](http://www.fiket.de/2006/11/06/kurzfilmfestival/#comments).
Tagged , , , ,

Wort der Woche: Studentnation

Seltsam, dass ich noch nie ausführlicher über die Nationen hier in Uppsala geschrieben habe. Erwähnt wurden sie jedoch schon gelegentlich. Mit studentnation oder einfach nur nation meint man Studentenverbindungen, wie sie in an den Universitäten Lund und Uppsala im 17. Jahrhundert entstanden und noch heute fortbestehen. Alles Folgende bezieht sich vorwiegend auf die Situation in Uppsala.

Im Gegensatz zu den Verbindungen in Deutschland hat sich in den Nationen keine fragwürdige politische Richtung herausgebildet, was wohl daran liegt, dass alle Studenten Mitglied in einer der 13 Nationen sein müssen (siehe Liste am Ende des Artikels). Die Mitgliedschaft kostet etwa 40 Euro pro Semester und kann insofern mit den Studentenwerksgebühren in Deutschland verglichen werden, als dass die Nationen ähnliche Aufgaben übernehmen und Dienstleistungen für Studenten anbieten. Darunter befinden sich

  • Kneipen und Restaurants
  • Wohnungen für die Mitglieder
  • Stipendien
  • Bibliotheken
  • Zeitungen
  • Sport
  • traditionelle Feste (gasques)
  • Clubs mit unterschiedlichen Musikrichtungen und Konzerte

  • kulturelle Aktivitäten wie Chöre, Orchester, Theatergruppen…

    Die Nationen werden von Studenten selbst verwaltet und bauen stark auf freiwilliges Engagement. Für einige Posten mit mehr Arbeit und Verantwortung nehmen Studenten sogar ein Semester oder ein Jahr Auszeit vom Studium und werden dann auch auf Niveau des normalen Studentenlohns bezahlt. Hier sind vor allem die Kuratoren zu nennen:

  • Der erste Kurator (förste kurator, abgekürzt “1Q”) ist der Chef und vorderster Repräsentant der jeweiligen Nation.

  • Der zweite Kurator (andre kurator, 2Q) kümmert sich um die Finanzen.

  • Der dritte (tredje kurator, 3Q) koordiniert die verschieden täglichen und Festaktivitäten.

    Die Kuratoren und zahlreichen anderen Posten werden von den Mitgliedern (landsmän) auf Versammlungen (landskap) gewählt, die mehrmals jährlich stattfinden. Nicht wenige schwedische Prominente waren Kurator während ihrer Studentenzeit, zum Beispiel war Dag Hammarskjöld 1Q von Uplands Nation. Jede Nation hat außerdem eine kleine Anzahl Inspektoren, oft Professoren und langjährige Mitglieder, die den Studenten mit Rat und Tat zur Seite stehen.

    Die Nationen sind nach den klassischen schwedischen Regionen (landskap) benannt und geordnet, wobei es im Laufe der Zeit allerlei Zusammenschlüsse und Neugruppierungen gab. Die Mitgliederzahl und damit auch die Vielfalt der Aktivitäten variiert von Nation zu Nation. Norrlands Nation ist die größte und Gotlands die kleinste. Jede Nation besitzt ein Haus im Stadtkern von Uppsala, in dem alle Aktivitäten stattfinden und in dem auch das Herz jeder Nation liegt: der Pub.

    Die Pubs sind mehr als nur Kneipe, denn es wird auch Essen serviert und sie dienen als sozialer Sammelpunkt. Wegen des eher symbolischen Lohns der freiwillig arbeitenden Studenten und dank einiger Steuerprivilegien sind alkoholische Getränke unschlagbar billig – 2-3 Euro für ein Bier anstatt der 5-6 Euro außerhalb der Nationen. Das ist der offensichtliche Grund, warum Studenten kaum abseits der Nationen ausgehen, und führt wiederum dazu, dass die Nationen bei Restaurant- und Barbetreibern recht unbeliebt sind und dass das Nachtleben in Uppsala außerhalb der Nationen einiges zu wünschen übrig lässt.

    Wegen der Abgeschlossenheit der Nationen kann man fast von einer Zweiklassengesellschaft sprechen, Studenten und Nichtstudenten, denen der Zugang zu den Nationen verwehrt ist. Als Student spielt es jedoch keine große Rolle, in welcher Nation man Mitglied ist, denn alle haben Zutritt zu allen anderen Nationshäusern. Es ist jedoch nicht unüblich, dass man bei der eigenen Nation kein Eintrittsgeld für gewisse Dinge bezahlt.

    Schweden wählen oft die Nation der Region, aus der sie ursprünglich kommen, aber nur wenige Nationen verlangen, dass man eine Verbindung zum entsprechenden Landesteil vorweisen kann, um Mitglied zu werden. Austauschstudenten habe freie Wahl und nutzen die angebotenen Möglichkeiten gern, auch um mit Schweden in Kontakt zu kommen anstatt nur mit anderen Austauschstudenten.

    Der soziale Aspekt ist ohne Zweifel der Hauptanziehungspunkt der Nationen. Es sind Plätze, an denen man sich trifft und gemeinsam etwas auf die Beine stellt. Durch das breite Angebot gibt es für die meisten eine passende Möglichkeit, sich zu engagieren – sei es bei einem Fest, kulturell oder beim kostenloses Weihnachtsessen für die Armen und Einsamen der Stadt.

    Eine Liste der Nationen in Uppsala:

  • Gotlands, die kleinste Nation.

  • Gästrike-Hälsinge, meist abgekürzt: GH.
  • Göteborgs
  • Kalmar
  • Norrlands, die mitgliederstärkste Nation.
  • Smålands
  • Stockholms
  • Södermanlands-Nerikes, genannt SNerikes
  • Uplands, Uppsala mit Umland, meine Wahl.
  • Värmlands
  • Västgöta, gesprochen “vächöta” mit ch wie in Fluch.
  • Västmanlands-Dala, V-Dala genannt.
  • Östgöta, gesprochen “öchöta”, siehe Västgöta.

  • Skånelands Nation nimmt ohne eigenes Haus, Aktivitäten und Mitgliedsgebühr eine Ausnahmerolle ein und bietet für diejenigen, die die Nationen ablehnen einen Ausweg. Die Mitglieder von Skånelands haben konsequenterweise auch keinen Zugang zu den anderen Nationen.

Tagged , , , ,

Snönörd

Schnee-Nerd

Es gibt immer noch keine gute deutsche Übersetzung der englischen Wörter nerd und geek, oder? Ins Schwedische wurde ersteres einverleibt und man schreibt es der Aussprache entsprechend mit ö.

Vorhin von meinem Balkon aus fotografiert.

Tagged , ,

Schatten und Licht

Wie dunkel ist es eigentlich im Winter in Schweden? Wird man dann depressiv? Und wie hell ist es im Sommer? Warum ist es eigentlich im Winter so dunkel und im Sommer so hell? Diese Art Frage gehört zweifelsohne zu den häufigsten, die man in Schweden lebend von deutscher Seite zu hören bekommt. Eine Antwort.

Jahreszeiten an sich entstehen dadurch, dass die Achse, um die sich unsere Erde täglich dreht, gegenüber der Bahn, die wir jährlich um die Sonne beschreiten, um 23 Grad geneigt ist (siehe Bild). Gäbe es diese Neigung nicht, hätten wir keine Jahreszeiten und die Sonne ginge am Äquator immer senkrecht zum Horizont auf und unter, während sie sich an den Polen ständig am Horizont entlang bewegen würde. Genau das ist der Fall zur Tag- und Nachtgleiche am 21. März und am 23. September, wenn die Erdachse weder zur Sonne hin noch von ihr weg geneigt ist. Dann ist der Winkel, den die Sonne zur Mittagszeit über dem Horizont steht, 90 Grad minus dem Breitengrad, auf dem man sich befindet. Also steht sie am Äquator (nullter Breitengrad) senkrecht über dem Boden und am Nordpol (90. Breitengrad) sitzt sie auf dem Horizont – schließlich ist der Boden auf dem man am Nordpol steht, 90 Grad gegenüber dem Boden am Äquator geneigt.

Bild: Wikipedia,
http://de.wikipedia.org/wiki/Jahreszeit

Uppsala liegt auf dem 60. Breitengrad und ist im Bild jeweils mit einem gelben Symbol markiert. Hier steht die Sonne Ende März und Ende September also 30 Grad über dem Horizont, während sie beispielsweise in Frankfurt (50. Breitengrad) zehn Grad höher steht. Im Sommer und Winter muss man jetzt nur noch berücksichtigen, dass die Erdachse 23 Grad geneigt ist: Ende Dezember steht sie eben 23 Grad tiefer als Ende September und das heißt dass sie hier in Uppsala nur sieben Grad über den Horizont schaut und dementsprechend wenig Licht und Wärme spendet. Sonnenauf- und Untergang sind am 21. Dezember um 8:50 und um 14:45. Ab sieben Grad weiter nördlich geht die Sonne dann gar nicht mehr auf und man nennt diese Grenze den Polarkreis.

Im Sommer kann man die 23 Grad Neigung der Erdbahn addieren, anstatt sie abzuziehen. Die Sonne steht somit 53 Grad hoch am 21. Juni und geht nachts nur sieben Grad unter den Horizont. Das heißt, obwohl die Sonne um 22:10 untergeht, dass es nicht vollständig dunkel wird und es am Horizont noch (bzw. schon) dämmert. Denn um 3:30 geht die Sonne wieder auf.

Die größeren Unterschiede in der Tageslänge von Sommer zu Winter bedeuten, dass es in der Übergangszeit sehr schnell gehen muss. Über 30 Minuten pro Woche verliert man im September und Oktober, was dazu führt, dass es schon im November ziemlich dunkel ist.

Ob man deswegen bedrückt oder gar depressiv wird, hängt sicher von der jeweiligen Person ab, es gibt aber in der Tat viele, die den November wegen seiner Dunkelheit nicht mögen, denn oft liegt noch kein Schnee, der hilft, das rare Sonnenlicht besser auszunutzen. Ich persönlich finde März und April “schlimmer”, weil man nach einem halben Jahr Winter endlich Frühling und Grün haben will, dieses aber im Unterschied zu Süddeutschland nicht schon Anfang März, sondern erst Ende April kommt.

Tagged , , , , ,

Keine Hygienesmileys

Der Plan, Restaurants und Geschäfte, die mit Lebensmitteln umgehen, mit einem für Verbraucher einfachen Symbol zu markieren, wird eingestellt (S). Je nach Urteil der Lebensmittelkontrolleure wäre ein lachendes, ein neutrales oder ein trauriges Gesicht vergeben worden. Als Begründung (S) wird angegeben, dass die Regeln für die Vergabe zu kompliziert geworden wären und man ebendiese lieber vereinfachen möchte.

Inwieweit die schwedische Lebensmittelindustrie ähnlich undurchsichtig ist, wie die deutsche, die nicht einmal die Verursacher von Skandalen preisgeben muss, weiß ich leider nicht.

Tagged , , ,