Der Wecker klingelt, es ist fünf Uhr. Wo bin ich? Ach ja, im Bettsofa eines Freundes in Stockholm. Seltsam, dass man es auf solche Weise lösen muss, wenn man den Sechs-Uhr-Zug Richtung Malmö nehmen will und in Uppsala wohnt. Wir fahren zum Bahnhof mit dem letzten Nachtbus, ergreifen eine kostenlose Ausgabe des Svenskan, kaufen Kaffee und Frühstück und steigen in den Zug. Die Hoffnung, dass mich das gebuchte ruhige Abteil von Kindergeschrei verschont, bestätigt sich. Schlafende Leute in den Sitzen der näheren Umgebung. Frühstücken und Zeitung lesen. Einzig interessant ist die Geschichte aus den Dreißigern, als der schwedische König von seinem angeblichen Liebhaber erpresst wurde und der Hof sich dessen mit Hilfe der Gestapo entledigen wollte. Ich packe den Rechner aus und schaue eine Folge Star Trek Voyager. Nur noch anderthalb Staffeln, dann bin ich mit der einzigen mir bislang unbekannten Serie des Star-Trek-Universums durch. Ich lade meine Internet-Karte auf und lese Emails und Neuigkeiten. Elvis Costello und Beck kommen aus den Kopfhörern. Mehr Kaffee aus dem Bordrestaurant. Ich lasse die Woche Revue passieren. Ist etwas Bloggenswertes passiert? Dass ein schwedischer Olympiakommentator meinte, man könne ja kein Mitleid mit deutschen Sportlern haben, weil man nur Hitler denken würde, hat ein paar Wellen geschlagen. Aber ich versuche ja, Sport auf Fiket zu vermeiden. Biologen meinten, dass Schweden genetisch mit den Norddeutschen am meisten gemein haben, viel mehr als mit den Finnen. Die Firma, die die Kästen zum Drücken an Fußgängerampeln in vielen schwedischen Städten herstellt und diese auch exportiert, wird sehr christlich geführt. Gemeinsames Beten am Arbeitsplatz und solche Dinge. Nach eigener Aussage haben sie ein christliches Symbol auf ihr Produkt gedruckt: Die nach oben zeigende Hand meint nicht den Knopf über ihr, sondern Gott. Das vergaßen sie natürlich, beim Verkauf zu erwähnen. Bizarr und beleidigend, finde ich. Natürlich auch amüsant. Neben Tipps und Theorie habe ich im pädagogischen Kurs während der ersten Woche auch ein paar Hintergründe über das schwedische Universitätssystem erfahren. Zum Beispiel dass es recht ambitionierte und konkrete Pläne gibt, Ungerechtigkeiten und Diskriminierung aufgrund Geschlecht, sozialer oder geographischer Herkunft und anderer Faktoren entgegenzuwirken. Ich frage mich, ob meine Alma Mater in Heidelberg Vergleichbares hat und befürchte, dass nicht. In Kürze kommen steigen wir um. Zeit den Knopf zu drücken, auf dem “Publish” steht.
Radio Schweden schreibt:
Ein Gartenzwerg ist ein deutlicher Hinweis auf schlechten Geschmack. Dieser Meinung ist die überwiegende Mehrheit der Schweden.
Gut so. Nichtsdestotrotz sieht man in letzter Zeit immer häufiger etwas Ähnliches an schwedischen Einfahrten, nah am Straßengraben: eine schwarz angemalte Katzensilhouette aus Sperrholz, teilweise sogar mit Reflexaugen. Ich nehme an, dass damit Autofahrer erschreckt und zum langsam Fahren ermahnt werden sollen.
Allerdings sind die Aufsteller dieser Dinger entweder kurzsichtig oder in Wahrheit Katzenhasser. Denn nach mehrmaligem falschen Alarm dürften sich Autofahrer an den Anblick gewöhnen. Und dann auch nicht mehr für echte Katzen bremsen.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich es übertrieben finde, oder ob ich zustimme. Sobald es, wie jetzt gerade, im August ein paar Tage lang kühl und regnerisch ist, hört man von allen Seiten leicht melancholische Äußerungen über das Ende des Sommers.
Ganz falsch ist es nicht, der Herbst liegt in der Luft, es riecht danach. Sandalenwetter ist nicht mehr, auch wenn die Sonne scheint. Kräftskivor, die Gruppen mit neuen (Austausch-)Studenten in der Stadt, der wieder erstarkte Flogsta-Schrei, der halb ausverkaufte Supermarkt (die meisten Schweden sind gerade aus dem Urlaub zurück), die Dohlen über der Stadt: alles hösttecken – Boten des Herbstes.
Ich hatte auf jeden Fall einen guten Sommer und hoffe ihr auch.
Für mich hat heute die Uni wieder angefangen. Ich besuche den Intensivkurs Pedagogik för universitetslärare, auf dass ich meine Studenten in Zukunft besser -quäle- unterrichte. Bei der Vorstellungsrunde wurde wieder einmal sehr deutlich, wie viele junge Akademiker in Schweden Kinder haben: geschätzte 70% der teilnehmenden Doktoranden beiderlei Geschlechts. Wenn jemand Zahlen aus Deutschland kennt, bitte melden, aber ich würde den Anteil auf unter 20% schätzen.
Wie oft ich wegen des Kurses bis Anfang September dazu komme, hier zu schreiben, wird sich zeigen…
Heute Nachmittag läuft die Frist für die Ausschreibung zum Betrieb der Stockholmer U-Bahn aus. Es geht darum, welche Firma im November 2009 den Betrieb bis 2017 übernehmen wird und der Auftrag wird auf etwa 35 Milliarden Kronen geschätzt. DN berichtet heute, dass neben zwei schwedischen, zwei französischen und einer Firma aus Hong-Kong auch die S-bahn Berlin GmbH auf der Bieterliste steht. Letztere ist eine Tochter der Deutschen Bahn.
Es geht hierbei wohlgemerkt nicht um einen Verkauf der U-Bahn, sondern darum, dass Stockholms lokaltrafik (SL) den praktischen Betrieb an eine Firma vergibt anstatt sich selbst darum zu kümmern. Die gewerkschaftlichen Fragen bezüglich der vielen Angestellten behauptet man schon im Vorfeld mit den Bietern geregelt zu haben. Über den “Gewinner” wird erst im Februar 2009 entschieden.
Larson! ist eine in Schweden beliebte Comic-Zeitschrift, die Serien wie Gary Larson, Berglin, Sigges Lagun und Dilbert abdruckt. Soeben habe ich darin mit Überraschung und Freude eine Seite mit vier der tollen Zeichnungen von NICHTLUSTIG entdeckt – ins Schwedische übersetzt, allerdings mit dem unveränderten deutschen Titel.
[Videolink](http://www.youtube.com/watch?v=ngd45o-M_M4), [über Lykke Li](http://de.wikipedia.org/wiki/Lykke_Li)
Ich bin endlich durch mit dem Sortieren und Hochladen meiner Bilder aus dem letzten halben Jahr. Unter den folgenden Links findet man zahlreiche Fotos von Orten oder Veranstaltungen, die teilweise schon hier im Blog erwähnt wurden. Als kleine Warnung sei vorweg gesagt, dass nicht alle Bilder von allgemeinem Interesse sein dürften.