Ich arbeite an einem Schweden-Quiz. Landeskunde, Geschichte, alles mögliche. Wenn jemandem eine gute Frage einfällt, darf sie oder er sie mir gerne per Email mitteilen.
Ich arbeite an einem Schweden-Quiz. Landeskunde, Geschichte, alles mögliche. Wenn jemandem eine gute Frage einfällt, darf sie oder er sie mir gerne per Email mitteilen.
In Schweden ist gerade ein Thema aktuell, das sowohl das Öffentlichkeitsprinzip als die Dateitauschseite The Pirate Bay betrifft.
Hintergrundgeschichte ist ein Kindsmord, für den eine deutsche Frau vor kurzem hier verurteilt wurde. Dieser Fall hat den schwedischen Abendzeitungen in den letzten Monaten viel Gelegenheit gegeben, sich von ihrer hässlichsten Seite zu zeigen. Die Untersuchungsakten der Polizei wurden nicht als geheim deklariert und sind damit öffentlich, inklusive der Obduktionsbilder der Kinderleichen.
Irgendwer hat sich dann die Akten besorgt und hat sie mit Hilfe der Pirate Bay verbreitet. Der Sender TV4 behauptete daraufhin dreist, die Pirate Bay habe die Akten selbst verbreitet und es wurden Rufe laut, die Bilder aus dem Netz zu nehmen. Die Pirate Bay argumentiert natürlich zu Recht, dass sie lediglich eine Plattform zum Austausch von Daten ist, und dass sie keinen Anlass sieht, die Verbreitung von sowieso öffentlichen Informationen zu unterbinden. Die Geschmacklosigkeit liegt aufseiten desjenigen, der die Bilder hochlädt, und all derer, die sie herunterladen.
Dagens Nyheter leitartikelt schließlich heute morgen zum gleichen Thema. Immerhin erkennt der Schreiber die Position der Pirate Bay als richtig an, wirft aber die Frage auf, ob das Öffentlichkeitsprinzip aus dem 18. Jahrhundert im Licht moderner Kommunikationsmittel vielleicht eingeschränkt werden müsste.
Bei aller Geschmacklosigkeit im Extremfall und obwohl auch ich den Schutz der Privatsphäre für ein hohes Gut halte, bin ich skeptisch gegenüber solchen Forderungen. Die Schweden haben ihrem Öffentlichkeitsprinzip viel zu verdanken.
Nachtrag 080909: Jetzt auch bei Heise.
Ein Reh, im Juli diesen Jahres aus dem Zug von Dalarna nach Hause
fotografiert. Mehr vom Bild bekommt man zu sehen, wenn man darauf
klickt.
Snäll bedeutet “nett”.
Snabb bedeutet “schnell”.
Tåg beudeutet “Zug”.
Trotzdem ist ein “Schnellzug” auf Schwedisch ein snälltåg, vermutlich eine Art “phonetische Übersetzung” aus dem Deutschen. Das Wort verwendet man aber nicht mehr so oft, sondern man benennt die Art des Zuges, also X2000, so wie man im Deutschen sagt “ich fahre ICE” anstatt “Schnellzug”.
Da kommt man nichtsahnend abends nach Hause und was findet man hinter dem Briefschlitz? Eine Freikarte zum Oktoberfest in Enköping. Das liegt ein paar (schwedische) Meilen westlich von hier. Dabei war ich doch noch nicht einmal auf dem Original als ich noch in Bayern gelebt habe.
Ich übersetze mal aus der gut zehnseitigen Zeitung, an die die Freikarte geheftet war.
Titelseite: Enköpings Oktoberfest – ein Geschmack von Bayern. Bierzelt, Troubadoure und Künstler, Disco-Karaoke. Kauf das Tirolerpaket! Tirolerbuffet, Eintritt, ein Bier, ein Jägermeister und ein Tirolerhut.
Seite 3, unübersetzt: Die zwei Tiroler Hans und Heidi – Tiroler Show!
Beweise:
Das Ganze wäre sicher eine Reise wert, so als Studie zum heutigen Deutschlandbild der Schweden mit vielerlei Fotomöglichkeiten. Leider hab’ ich an diesem Wochenende keine Zeit.
Ich sitze gerade im hiesigen Unihauptgebäude zu einem Seminar mit dem Titel “Die Universität Uppsala, der Nationalsozialismus und Nazideutschland” (PDF). Zweieinhalb Stunden lang versuchen sechs Professoren, Schriftsteller und Journalisten in einem Diskussionsforum zu beleuchten, welche Rolle damals die Universitäten, im besonderen Uppsala, beim Verhältnis zu den Nazis spielten und was das im Nachhinein für Auswirkungen hatte.
Es geht los. Ich wäre fast nicht in den Saal gekommen. Dass man sich voranmelden konnte, hatte ich verpasst. Ich bekam dann aber doch noch einen Platz. Immerhin schön zu sehen, dass das Thema viele Menschen interessiert.
Zu Eingang wird betont, wie wichtig die Anwesenden Debatteure für die Diskussion über das Verhältnis der Schweden zu den Nazis waren. Ein paar Bücher derselben Personen werden genannt. Birgitta Almgren hat zum Beispiel ein Buch über die Faszination des Nordens und nationalsozialistische “Infiltration” Schwedens geschrieben.
Als Hintergrund sollte man vielleicht noch wissen, dass die eigene Rolle während des zweiten Weltkriegs in der öffentlichen Diskussion in Schweden noch recht jung ist. Die “Aufarbeitung” dieses Kapitels der eigenen Geschichte haben die Schweden recht lange vor sich hergeschoben.
Anhand dessen wie der Moderator die Teilnehmer vorstellt deutet sich an, dass sowohl die Rolle der Studenten und des Studentkår als auch die Flüchtlingspolitik Schwedens im Bezug auf Juden zur Sprache kommen wird.
Die Einleitung von Sverker Oredsson beginnt damit, wie lange schwedische Historiker auf die Linie eingeschwenkt waren, dass die Politik Albin Hanssons während des zweiten Weltkriegs tadellos war. Zur Erinnerung: Schweden war offiziell neutral, machte aber allerlei Konzessionen an Nazideutschland, um nicht in den Krieg verwickelt zu werden. Zum Beispiel wurden zwei Millionen deutsche Soldaten auf schwedischen Schienen transportiert.
Erst 1991 kam eine kurze Streitschrift heraus, die die schwedische Rolle als beschämend darstellte. Als mögliche Erklärung für die Verzögerung führt Oredsson die Konzentration nach dem Krieg auf Deutschland als den einzigen Schuldigen an, während alle Nachbarn als Opfer gesehen wurden. Er stellt auch dar, wie die schwedische Angst vor einem Angriff Deutschlands wohl übertrieben war. Man verkaufte weiterhin viel Eisenerz an die Nazis und nazikritische Zeitungen wurden vorsichtshalber verboten. Die öffentliche Meinung war, gerade unter Akademikern, sehr dagegen, fliehende Juden aufzunehmen.
Birgitta Almgren erzählt, wie ihre beiden ehemaligen Professoren in Uppsala in den 60ern und 70ern die Ausnahme waren, wenn sie ähnliche Forschung wie ihre Deutschen betrieben, um die Nazizeit aufzuarbeiten.
Was waren die Reaktionen an schwedischen Universitäten als die Nazis die Macht übernahmen? Damals war Deutsch die Sprache der Akademiker in Schweden. Dissertationen wurden darin verfasst. Die deutschen Professoren gaben nicht nur Berichte über Schweden weiter, sondern versuchten auch, für Verständnis für die Nazis zu werben – allerdings oft vergebens gegen die “linke Presse”. Traditionalismus und Skepsis gegenüber Amerikanisierung und Avantgarde waren jedoch ein Weg wie sich der Sprachgebrauch dem der Nazis näherte. Das schaurige Beispiel eines Nazi-Agenten in der schwedischen Schulaufsicht wird erzählt.
Der nächste Redner, Ola Larsmo, beginnt damit, wie mehrere Studentorganisationen in Uppsala sich direkt an den Staatschef wandten, um für die Sache der Juden einzutreten. Das weckte einiges böses Blut. Bei einem Treffen der Studenten (Bollhusmötet) in Uppsala kam es zu einem verbalen Kräftemessen zwischen beiden Seiten, als es darum ging, 12 jüdischen Ärzten an der Uni Posten zu geben. Die Argumente reichten von sachlich bis rein rassistisch und antisemitisch. Juristen und Theologen werden als besonders engagiert – auf beiden Seiten – hervorgehoben. Es gab also auch Anhänger der deutschen Christen.
1942 kamen tausend Juden durch die Wälder aus Norwegen und erzählen, was dort eigentlich passierte. Das führte dazu, dass Schweden bald mehr Juden aufnahm.
Heléne Lööw berichtet von der Stille, die lange über dem Thema Antisemitismus lag. Vorfälle wie der als eine Stockholmer Studentorganisation Anschläge auf eine Flüchtlingsorganisation plante, festgenommen wurde und sich dann lediglich nicht mehr in Universitätsgebäuden treffen durfte, sind im allgemeinen schlecht untersucht. Es herrschte und herrscht die generelle Meinung “Schweden sind keine Antisemiten”. Laut Lööw ist man noch am Anfang mit der Forschung zu diesem Thema.
Svante Nycander geht noch einmal auf das Bollhusmöte ein und wie es dazu kam. Das ist mir gerade zu kompliziert, es ausformulieren zu können.
Mein polnischer Bekannter flieht gerade den Saal. Solche Veranstaltungen sind qualvoll, wenn man noch Probleme mit der Sprache hat. Ich erinnere mich, zu Anfang meiner Zeit in Schweden selbst frustriert öffentliche Vorlesungen verlassen zu haben. Ein wenig übertrieben hochgestochen reden die Leute durchaus.
Karin Kvist Geverts ist die Quotenperson zum Senken des Altersdurchschnitts, frischgebackene Doktorin. Sie spricht über die Flüchtlingspolitik und erzählt, dass schon ab 1932 Juden im schwedisch sauber geführten Melderegister einen Vermerk bekamen und auch diskriminiert wurden. Zwar wurde ungefähr die Hälfte der jüdischen Flüchtlinge aufgenommen, allerdings nur unter dem Vorbehalt, dass sie weiterreisen. Geverts geht auf die Ausbildung und das Verhalten von Amtspersonen ein, besonders nach der “Reichskristallnacht” 1938 als Schweden laut Vieler von Juden “überschwemmt” wurde. Man führte Ausländerzählungen durch und die Ergebnisse wurden am gleichen Tag wie das Bollhusmöte in Uppsala bekannt gegeben. Ein hoher Beamter hielt dieses Studententreffen für wichtig genug, dort zu reden und die “Invasion der Juden” mit Zahlen zu widerlegen.
Wieder Sverker Oredsson. Er erzählt wie der “Völkische Beobachter” einige Studentorganisationen in Uppsala und Lund pries, weil sie sich energisch gegen “Semigranten” einsetzen. Er liest eine Passage aus Nycanders Buch “Världen ur Uppsalaperspektiv” – das lasse ich mir gern zu Weihnachten schenken. In Fortsetzung zu Geverts geht er auf das “antisemitische Hintergrundrauschen” ein und wie “Tradition” oft sehr nah den Nazis war.
Jetzt sind alle durch und die Debatte wird freier. Larsmo fängt an und antwortet Nycander, dass man die Studenten in Uppsala nicht damit verteidigen kann, dass das Bollhusmöte wegen einer Intrige der Nazi-Freunde zustande kam. Fotos zeigen zum Beispiel, dass 1935 die Straßen in Uppsala mit Nazipropaganda plakatiert waren.
Birgitta Almgrem weist auf den Sprachgebrauch von “deutschfreundlich” (tyskvänlig) hin, wenn man “nazifreundlich” meinte. Die Nazipropaganda hatte es also geschafft, deutsche Kultur und Menschen mit “Nazis” gleichzusetzen.
Nycander führt den Vergleich zwischen oben genanntem und der heutigen Flüchtlingsproblematik. Das passte nicht wirklich, finde ich. Interessant dagegen, dass die heute noch dominierende Lokalzeitung “Uppsala Nya Tidning” stark antinazistisch war.
Warum dauerte die Stille um Schwedens Rolle bis Ende der 80er und warum war es ein amerikanischer Historiker, der den Anstoß gab sie zu brechen?, fragt der Moderator. Lööw, die angebliche Expertin zu dem Thema, redet jedoch lieber über heutige Flüchtlinge. Dann geht sie aber doch auf den Unwillen ein, das Problem bei sich selbst zu sehen. Man führte lieber allerlei Erklärungen an, um nicht am Selbstbild zu rütteln.
Wenn man die großen schwedischen Universitäten nach ihrem Grad an Nazifreundlichkeit und -einfluß ordnen wolle, so war laut Oredsson Lund am “schlimmsten”, dann Uppsala und Stockholm etwa gleichauf und Göteborg am wenigsten bedenklich, nicht zuletzt wegen des damaligen Rektors dort.
Interessante Details fand ich noch, dass der Rassengünther in den 20ern an der Uni Uppsala war und dass hier auch das schwedische Institut für Rassenbiologie angesiedelt war und zwar in einem Haus, das ich bisher immer ganz schick fand.
Jetzt kommen Fragen aus dem Publikum. Der erste Fragende hatte eine sehr gute, bekam aber keine wirkliche Antwort aus dem Panel. Jetzt traf das unvermeidliche ein, ein älterer Herr erzählt eine Anekdote, die gern eine Minute wert gewesen wäre, aber nicht über 5. Und der Moderator traute sich trotz seiner Ankündigung zu Beginn nicht, ihn abzuwürgen.
Ah, der erste Deutsche steht auf und spricht. Ein Professor in Stockholm, der seinen Status auch gleich heraushängen lässt, hihihi. Ich mag befangen sein, aber er kommt wirklich besserwisserisch herüber und klingt als wäre er ein wenig sauer, nicht selbst ins Panel eingeladen worden zu sein.
Zum Abschluss betont Nycander die Rolle, die die heute noch existierende Studentenzeitung Ergo des Studentenkorps Uppsala in der öffentlichen Debatte in ganz Schweden spielte und dass im Großen und Ganzen die Debattenkultur darin recht sachlich war. Auch wenn die Studenten die damaligen Ansichten in der Bevölkerung widerspiegelten, wirkte die eher liberale und demokratische Atmosphäre an der Uni der Radikalisierung entgegen, befindet Nycander.
So, jetzt ist es zu Ende. Alles in allem sehr interessant, fand ich. Lang geworden ist der Text und ich lese jetzt nicht noch Korrektur, sondern fahre nach Hause.
Zuletzt eine kleine Warnung: Es ist durchaus möglich, dass ich im oben Geschriebenen etwas missverstanden habe. Zuhören und gleichzeitig schreiben ist nicht ganz einfach.
Wie ich diesem Artikel entnehme sind Crocs in Deutschland erst diesen Sommer richtig populär geworden.
In Schweden sieht man diese Dinger schon seit ein paar Jahren viel häufiger als einem lieb ist. Ich glaube aber, dass der Trend dabei ist, abzuflauen. Hierzulande sagt man nicht Crocs sondern Foppatofflor. Dieser Name kommt vom Eishockeyspieler Peter Forsberg mit Spitznamen Foppa. Es war Forsberg, der diese Pantoffeln (schw. tofflor) während einer Verletzung trug und dessen Firma sie nach Schweden importiert hat.
In zwei Stunden kommen die Gäste zu unserer alljährlichen und beliebten Kräftskiva. Die Krebse sind aufgetaut, die Wohnung ummöbliert, damit 13 Leute an einen langen Tisch Platz finden. Brot ist gebacken, Snaps im Eisfach, die Platzverteilung ausgeklügelt und in Rätselform verfasst, damit die Gäste während des Willkommenstrunks etwas zu tun haben. Natürlich wird auch gesungen werden (PDF mit Liedtexten), allerdings diesmal ohne mein deutsches Helan går.
[Videolink](http://www.youtube.com/watch?v=o58_lu_K74o), [mehr über die Brüder Herreys](http://de.wikipedia.org/wiki/Herreys)
Das Schlagerfestival wird erst nach 20 Jahren lustig. Das Video zeigt den schwedischen Beitrag von 1984, der nicht nur gewann, sondern auch heute noch bekannt ist.