Was essen Schweden zu Ostern?

Auch wenn das Essen zu Ostern keine so große Sache ist wie der überaus wichtige Julbord, das Weihnachtsessen, so wird doch mehr und größer gekocht an diesem Wochenende. Glaubt man diesem Artikel (S), so gibt es recht große regionale Unterschiede im Speiseplan, allerdings mit starken Veränderungen von Jahr zu Jahr. Heuer ist es also

  • Lamm in Schonen,
  • Lachskaviar in der Hauptstadt,
  • Gebratene Wurst im Westen,
  • Süßigkeiten an der Ostküste,
  • Eier im Norden,
  • und Påskmust überall außer im Süden.

    “Påskmust” ist (bis aufs Etikett) das gleiche wie “Julmust”, eine Art süße, dunkelbraune Limonade mit eigenwilligem Geschmack. Seit langem gehen zu Weihnachtszeit die Coca-Cola-Verkäufe in dem Keller – zugunsten des Julmust – und da sich der Hersteller nicht kaufen ließ, versucht Coca-Cola, mit einer eigenen Marke Fuß zu fassen. Süßigkeiten gibt es natürlich auch überall zu Ostern, aber in weniger übertriebenen Mengen, als ich das aus Deutschland kenne. Ostereier sind oft aus Pappe, liegen in der Größe zwischen Hühner- und Straußenei und sind in der Mitte teilbar, damit man an die Süßigkeiten darin kommt. Frohe Ostern!
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Osterhase

Osterhase

Aufgenommen letzten Juli im Håga-Tal, Uppsala.

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Vor Werbepausen Filmemacher fragen

Der schwedische Fernsehsender TV4 wurde von Filmemachern erfolgreich verklagt (S), weil er ihren Film mit Werbeunterbrechungen zeigte, und damit ihr Urheberrecht verletzte.

Auch wenn man der Meinung ist, dass ein Künstler selbst bestimmen sollte, was mit seinem Werk geschieht, muss man sehen, dass nur wenige Künstler unabhängig genug sind, dies auch auszuüben. Filme, die nicht mit Werbung zerstückelt werden dürfen, sind für Fernsehsender weniger interessant. Deshalb bezweifle ich, dass dieses Urteil einen großen Einfluss auf die Fernsehlandschaft hat, außer vielleicht, dass die Erlaubnis für Reklame künftig explizit in den Senderechtekaufverträgen steht.

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Schweden wollen Kernkraft

Dagens Nyheter schreibt (S, Übersetzung von mir):

Unter Schweden ist der Rückhalt für die weitere Anwendung und den Ausbau an Kernenergie größer denn je. Jeder zweite Schwede will heute die Kernkraft langfristig beibehalten. [...] Jeder sechste ist sogar für deren Ausbau.

Und das obwohl Tschernobyl auch hier ein einschneidendes Ereignis war. Argumente wie die “Sauberkeit” (kein CO2-Ausstoß) der Kernkraft hört man recht häufig. Wenn ich mich recht erinnere, sind Atomkraftwerke aber nur wegen der massiven staatlichen Subventionen rentabel und das Abfallproblem ist immer noch ungelöst. Schwedens hoher Anteil an Wasserkraftwerken, die sich vor langen amortisiert haben und beinahe kostenlos Strom produzieren, stehen wiederum in einem schlechteren Licht, als man das von “alternativen Energien” erwaren würde. Sie stellen nämlich einen nicht geringen Eingriff in die natürlichen Wasserläufe dar und aus Naturschutzgründen wird nach meinem Wissen die Wasserkraft an schwedischen Gebirgsflüssen nicht weiter ausgebaut.

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Wort der Woche: Vårvinter

“Vårvinter” ist schlicht eine Zusammensetzung von “vår”, Frühling, und “vinter”. Es bedeutet also Frühlingswinter und bezeichnet die Zeit im März und April, wenn der Winter eigentlich vorbei und der Schnee fast ganz weggetaut ist, die Tage wieder eine vernünftige Länge angenommen haben — das erste Grün aber noch auf sich warten lässt und es gelegentlich sogar noch schneit.

Jetzt ist gerade Vårvinter hier in Uppsala.

Ich finde, dass das die wettermäßig schlechteste und häßlichste Zeit des Jahres ist, v.a. weil man weiss, dass dieses Grau und diese Tristesse noch einige Wochen anhalten wird, bis endlich im Mai der Frühling ausbricht und die Bäume ausschlagen. Freude auf den Frühling nach dem langen Winter stellt sich also nicht ein, denn man weiß: Es dauert noch. Der Vårvinter übertrifft für mich sogar die Dunkelheit im Winter an Irritationspotential, denn hier auf dem 60. Breitengrad hat man auch dann immerhin noch einige Stunden Sonnenlicht und der Schnee hilft, diese auch wirklich als hell zu empfinden.

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Ausländer in Schweden

Ich weiß garnicht wo ich anfangen soll, diesen Blog-Eintrag zu kommentieren, der vorgibt, in Schweden wäre Gewalt, die von Einwanderern ausgeht, außer Kontrolle. Hier meine wichtigsten Einwände:

  • Das Aftonbladet auf das sich bezogen wird, ist Sensationspresse wie die BILD-Zeitung, wenn nicht schlimmer.
  • Es werden, wie so oft in diesem Zusammenhang, Einzelfälle zum Anlass für Panikmache und Hetze genommen.
  • Nein, Schweden ist alles andere als auf dem Weg, das “Bosnien Nordeuropas” zu werden. Die Ausländerquote ist hier genauso stabil wie in Deutschland, wenn ich mich recht erinnere sogar etwas niedriger.
  • Selbst wenn die Kriminalitätsrate bei Einwanderern höher ist, gibt es Gesetze und den Rechtstaat, das zu regeln. Dieser funktioniert und es gibt keinerlei Grund für Panikmache und Hetze wie im verlinkten Artikel.
  • Im Gegenteil: Es sollte nach den Ursachen gesucht werden. Schweden hat eine härtere Einwandererpolitik als Deutschland und wird zurecht zuweilen dafür kritisiert.

    Einen sehr guten Artikel zum Thema, wie der Westen islamischem Faschismus begegnen sollte, hat [Josef Joffe neulich verfasst](http://www.zeit.de/2006/09/Symmetrie?page=all). Kerngedanke ist, dass wir uns davor hüten sollten, mit den gleichen Mitteln zu agieren, wie die Gegner der offenen Gesellschaft, nämlich grobe Verallgemeinerung und Kollektivhaftung. Lesen!
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Boykottiert Schweden die Fußball-WM?

Der Gleichberechtigungsbeauftragte hier in Schweden hat vorgeschlagen, dass Schweden die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland boykottieren soll, weil dort zu wenig gegen den erwarteten Anstieg an Frauenhandel und Zwangsprostitution getan wird.

Nun muß man zuerst wissen, dass es in Schweden verboten ist, Sex zu kaufen – es wird der Freier bestraft, nicht die Prostituierte. Schon Mitte März mahnten die Sozialisten im Europaparlament zu “Fair Play und Fair Sex” während der WM und warnten vor mehr Frauenhandel. In den deutschen Nachrichten, die ich verfolge, habe ich das Thema bisher nicht auftauchen sehen, hier wird es aber rege diskutiert und führte jetzt zu obigem Boykottaufruf.

Auch wenn es heftigen Widerstand und berechtigte Kritik an der Wirksamkeit der Idee gibt, scheint die Diskussion schon einen sehr guten Effekt zu haben: Das Thema schwappt in die deutschen Medien über. Da Fußball ja so wichtig ist, muß es ein echtes Problem sein, wenn ein Land deswegen über eine Absage nachdenkt.

Dass die Schweden sich darüber überhaupt Gedanken machen, zeigt vor allem eines: In Schweden ist die Gleichberechtigung um einiges weiter als in Deutschland. Ein paar Zahlen dazu: Der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung liegt bei schwedischen Frauen nur 3% unter dem der Männer – in Deutschland über 10%. In Deutschland sind 8% der Professoren Frauen, in Schweden doppelt so viele. (Quelle)

Ich fände es toll, wenn es dem kleinen Land, als das sich die Schweden gerne sehen, gelingen sollte, die Öffentlichkeit des großen Nachbarn in diesem Punkt wachzurütteln.

Für die des Schwedischen mächtigen: hier, hier, hier und hier gibt es mehr zum Thema.

Nachtrag: Auch die Frankfurter Rundschau berichtet darüber und es ist ein Thema in diversen blogs.

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Wort der Woche: Konungariket Sverige

“Konungariket Sverige” ist die offizielle Staatsbezeichnung Schwedens. Zunächst zur eigentlichen Wortbedeutung: “Konung”, oft auch verkürzt “kung”, bedeutet “König” und “riket” ist die bestimmte Form von “rike”, das “Reich”. Und weil “Sverige” nichts anderes als “Schweden” auf schwedisch ist, bedeutet “Konungariket Sverige” also ganz einfach “das Königreich Schweden”.

Doch halt! So einfach ist es nicht, denn “Sverige” selbst ist eine verschlissene Form von “Svearike”, also das “Svea-Reich”, welches sich auf vormittelalterliche Könige hier in Mittelschweden bezieht, welches noch heute “Svealand” genannt wird. Man kann also getrost vom “Königreich Svea-Reich” sprechen. Doppelt hält wohl besser.

Dass sich Schweden allerdings noch als Königreich bezeichnet, spielt in Wirklichkeit kaum eine Rolle. Der König hat nur rein repräsentative Aufgaben und darf sich nicht einmal zu politischen Themen äußern. Außerdem leidet er an Legasthenie und scheint ein Talent für Fettnäpfchen zu haben, was viele Schweden dazu veranlasst, die Überreste ihrer Monarchie zu belächeln. Die Aufmerksamkeit, die die hiesige Königsfamilie allerdings in der deutschen Klatschpresse erfährt, erzeugt gelegentlich Befremden.

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Die dummen Schweden

Obige Überschrift spiegelt natürlich keineswegs meine Meinung wieder, sondern ist angeblich ein deutsches Sprichwort. Ich habe das allerdings noch nie in Deutschland gehört, sondern ausschließlich und wiederholt hier in Schweden, wo man glaubt, dass dieses Sprichwort in Deutschland existiert. Oft wird es auch in der inkorrekten Form “Die dumme Schweden” gebraucht.

Angeblich spiegelt es einen leichten Minderwertigkeitskomplex wieder, den Schweden als kleines Land im Umgang mit dem Ausland hat. Wie dem auch sei, das Sprichwort tauchte ganz selbstverständlich in der Überschrift zu einem Zeitungsartikel über eine Studie auf, die Intelligenzquotienten zwischen Ländern vergleicht und in der Schweden den vierten Platz belegt:

Die dumme Schweden är inte så dumma ändå (übersetzt: “Die dummen Schweden sind doch nicht so dumm”).

Den Sinn und Methoden einer solchen Studie kann man sicherlich in Frage stellen, nicht nur weil sie die Deutschen auf Platz eins sieht. ;-)

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Wort der Woche: Flogstavrål

Flogsta
HochhäuserBei weitem nicht alle Schweden werden wissen, was der “Flogstavrål” ist. “Vrål” bedeutet “Schrei” und “Flogsta” (sprich: Fluhgsta) ist der Name des Stadtteils hier in Uppsala, in dem ich wohne. Also der Flogstaschrei? Genau! Und zwar hat das damit zu tun, dass Flogsta fast ausschließlich von Studenten bewohnt wird, seit am Anfang der 70er das Viertel mit hässlichen Hochhäusern (siehe Bild) hochgezogen wurde.

Noch während der 70er hat es sich eingebürgert, abends um Punkt 10 Uhr die Fenster aufzumachen und seinen Stress und seine Ängste in die Nacht zu schreien – soviel die Stimmbänder hergeben. Und es gibt diesen Schrei heute noch, manchmal kaum hörbar, manchmal auch richtig laut, besonders an Wochenenden und in der Klausurenzeit. Erst vor zwei Wochen wurde auf Initiative des Studentenradios ein (angeblich erfolgreicher) Rekordversuch (S) unternommen. Alternative Namen dieser netten Tradition sind “Tioskriket” (“der Zehn-Uhr-Schrei”) oder “Flogstaskriket”.

Zum Abschluss darf natürlich die Audioprobe nicht fehlen: [audio:http://www.fiket.de/audio/flogstaskriket.mp3]
(mp3 von hier).

Nachtrag 30. Nov 2006: Das Ganze als Video

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