Zug(p)reise absurd

Es liegt mir fern, das Preissystem der Deutschen Bahn zu loben. Auch sei gesagt, dass man in der Regel zu vernünftigen Preisen in Schweden Zug fahren kann. Die ehemals staatliche SJ hat sich jedoch ein besonders schlaues System einfallen lassen, die Ticketpreise festzusetzen: Je beliebter ein Zug ist, desto teurer die Fahrkarte. Der Preis steigt also mit der Zeit, je mehr Leute schon den gleichen Zug gebucht haben. Das hat den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass flexible Reisende überlastete Züge automatisch meiden und dass andere besser ausgelastet werden. Neben der offensichtlichen, dass sich früh buchen und Zeiten vergleichen lohnt, ergeben sich noch zwei interessante Folgen:

  • Es kommt vor, dass Tickets für eine längere Strecke billiger sind als für einen Teil derselben. Das ist nicht wenig absurd.
  • Schlaue Menschen kamen auf das Geschäftsmodell, Fahrkarten bei Freigabe (Monate vor Abfahrt) billig aufzukaufen und später, wenn der Preis gestiegen ist, teurer zu verkaufen. SJ will auf keinen Fall das dynamische Preismodell aufgeben, aber trotzdem den “Schwarzhandel” unterbinden. Was tut man? Man macht die Tickets persönlich und verlangt einen Ausweis bei der Fahrkartenkontrolle im Zug. Das ist nicht sehr populär. Zum einen schreien die Datenschützer auf. Nicht einmal in Diktaturen würde man die Bewegungen von Individuen so genau nachvollziehen können. Das System sei ein weiterer Schritt auf dem Weg in den Überwachungsstaat. SJ erwidert, dass man nur Namen, keine [Personnummer](http://www.fiket.de/2006/07/09/wort-der-woche-personnummer/) verlange und die Daten höchstens einen Monat speichere. Außerdem schieße man mit Kanonen auf Spatzen, so Kritiker. Der Schwarzhandel liege im Promillebereich und durch den Namen auf dem Ticket wird es auch für Normalreisende unmöglich, ein gekauftes Ticket, das einem selbst nicht mehr passt, wieder loszuwerden. Und sei es nur die Weitergabe an Bekannte. Man kann deshalb vermuten, dass SJ mehr Leute dazu bewegen will, gegen Aufpreis die umbuchbaren Fahrkarten zu kaufen. Ich selbst habe mich neulich schon (zum Verdruss der Mitreisenden) lautstark über die Namenspflicht geärgert und hoffe, dass der Aufschrei nicht so schnell abebbt und zu einer Zurückname der Namensbindung führt. Links: [1](http://www.dn.se/nyheter/sverige/sj-stoppar-svartaborshandel-1.942861), [2](http://www.svd.se/resor/nyheter/artikel_3450009.svd), [3](http://www.dn.se/opinion/signerat/sj-myggjagare-med-kanon-1.944067)
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Johnossi - Man Must Dance

[Videolink](http://www.youtube.com/watch?v=b_19Gc3cTWE)

Ja, das hatten wir [schon einmal](http://www.fiket.de/2008/11/16/johnossi-man-must-dance/), aber das damals eingebettete Video ist verschwunden und das Lied immer noch toll. Allein die Zeile > Wie oft muss ich dir noch sagen, dass es vollkommen vernünftig ist, > nackt herumzutanzen, wenn du alleine bist?
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Verkehrsgroßprojekte in Stockholm

In Stockholm wird eifrig an Straßen und Schienen gebaut, und zwar vor allem unterirdisch. Eine kleine Übersicht.

  • **Norra länken**, die “nördliche Verbindung”, [Info](http://vv.se/norralanken), [Karte](http://vv.se/vagarna/Vagprojekt/Stockholms-lan/Vag-E-20-Norra-lanken/Dokument/Vagstrackning/). Einer von fünf Straßenkilometern ist schon in Betrieb, der Rest der Strecke besteht vor allem aus Tunnel und soll 2015 fertig sein. Zusammen mit dem *Södra länken* und dem *Essingeleden* ergibt sich damit ein dreiviertel Ring um die Innenstadt und der wichtige Freihafen hinter Östermalm wird besser an die Autobahnen E18 und E4/E20 angeschlossen. Kosten: gut 11 Milliarden Kronen. Weil der Stockholmer Uni-Campus über der Strecke liegt, sind die Sprengungen dort fast täglich zu spüren.
  • **Förbifart Stockholm**, [Info](http://www.vv.se/Vagarna/Vagprojekt/Stockholms-lan/Forbifart-Stockholm/), [Karte](http://www.vv.se/vagarna/Vagprojekt/Stockholms-lan/Forbifart-Stockholm/Om-projektet/Vagstrackning/). Die “Vorbeifahrt Stockholm”, also eine weitläufige Umgehung, um den Durchgangsverkehr auf Schwedens wichtigster Nord-Süd-Verbindung (E4) der Stadt und dem überlasteten *Essingeleden* abzunehmen, ist eines der umstrittensten Projekte. 25 Milliarden Kronen sollen die 21 km von *Kungens kurva* im Süden bis *Häggvik* im Norden der Stadt kosten. Es wird ein weiter Bogen westlich an der Stadt vorbei geschlagen – 80 Prozent davon wiederum unterirdisch, vor allem aus Umweltschutzgründen. Erst gestern fiel die [Entscheidung](http://www.sr.se/cgi-bin/international/nyhetssidor/artikel.asp?nyheter=1&programid=2108&Artikel=3074672) der Regierung, den Bau in Angriff zu nehmen. Geplante Bauzeit ist 2012-2020.
  • **Citybanan**, [Info](http://www.banverket.se/sv/Amnen/Aktuella-projekt/Projekt/1867/Citybanan-i-Stockholm/Om-projektet.aspx), [Karte](http://www.banverket.se/pages/21666/Karta_stor.jpg). An der “City-Bahn” wird wie am *Norra länken* schon eifrig gegraben und gesprengt. Es geht hierbei um einen 6 km langen Eisenbahntunnel unter der gesamten Innenstadt, von *Södermalm* gen Norden unter dem Wasser und der Altstadt hindurch zum (ausgebauten) Hauptbahnhof, dann weiter zum *Odenplan* (der eine neue Haltestelle für die Pendelzüge bekommt), um dann beim *Karolinska institutet* wieder auf die bisherigen Gleise zu stoßen. Hintergrund ist das chronische Kapazitätsproblem der Schienen zum Hauptbahnhof, der ziemlich eingeklemmt liegt. Sowohl nach Norden als auch nach Süden gibt es deshalb immer wieder Probleme. Die Citybanan wird die Kapazitäten verdoppeln. Wegen der Bauarbeiten ist die blaue Linie der U-Bahn noch bis Oktober unterbrochen und es wird im Dreischicht-Betrieb gearbeitet, um diese Zeit so kurz wie möglich zu halten. 16 Milliarden Kronen sind veranschlagt; 2017 sollen die ersten Züge durch den Tunnel rollen.
  • **Centralstationen**. Der Hauptbahnhof selbst soll bis 2012 für eine knappe Milliarde Kronen aufgerüstet werden, unter anderem um den Energieverbrauch um ein viertel zu senken und um wiederum der wachsenden Anzahl Reisender gerecht zu werden.
  • **Slussen**, [Info mit Bildern](http://www.dn.se/sthlm/vinnare-korad-i-arkitekttavling-om-slussen-1.846367). Die Umgebung um die Schleuse zwischen Södermalm und der Altstadt, die das Seengebiet *Mälaren* von der Ostsee trennt, ist auch für den Autoverkehr ein Nadelöhr (dem man zudem noch ansieht, dass es für Linksverkehr gebaut wurde) und beileibe keine Perle im Stadtbild. Schon 1992 gab es den ersten Architektenwettbewerb für einen neuen *Slussen*. Es sollte nicht der letzte bleiben. Dieses Frühjahr hat sich die Verwaltung jedoch durchgerungen, für 6 Milliarden Kronen eine vereinfachte Version des geschwungenen und offen wirkenden Architektenvorschlags vom letzten Jahr zu bauen. Keine Hochhäuser oder ein gewaltiges Opernhaus, sondern Wohnungen, Geschäfte und Flaniermeile sollen die Betongwüste bis 2018 ablösen (siehe Bilder). In diesem Zusammenhang taucht auch immer wieder der Vorschlag auf, die hässliche U-Bahn-Brücke an der Altstadt vorbei loszuwerden, indem man sie in einem weiteren Tunnel unter dem Wasser, also neben der Citybanan, vergräbt. Studien halten das jedoch leider für undurchführbar.
  • **Tunnelbana**. An der Stockholmer U-Bahn und den Pendelzügen wird auch immer gebaut. Neben dem schon erwähnten Citybana-Tunnel, der für letztere relevant ist, soll zum Beispiel die grüne Linie von Odenplan aus einen Abstecher zum Krankenhaus *Karolinska* bekommen. Eine nördliche Verbindung der grünen und roten Linie ist auch manchmal im Gespräch und würde mir persönlich sehr gefallen. Außerdem soll die “Quer-Bahn” (*Tvärbanan*) nach Norden verlängert werden und so den Westen der Stadt näher mit dem Süden zusammen bringen. Bei Großprojekten gehen die Meinungen ja immer auseinander und ich bin beileibe nicht informiert genug, echte Kritik zu üben, sondern finde alles oben genannte irgendwie sinnvoll. Vor allem, weil man die Mehrkosten für lange Tunnel in Kauf nimmt, und so das Stadtbild schont. Natürlich geht es um große Summen, aber die Tunnel muss man nur einmal graben und sie sind damit eine echte Zukunftsinvestition. Der Beginn des Mälaren westlich von Stockholm ist kein Weltkulturerbe, wie es das Elbtal bei Dresden war. Trotzdem tunnelt man hierzulande lieber über richtig lange Strecken die Umgehung, als die Landschaft mit dicken Autobahnen und Brücken zu verschandeln. Um sich die Kosten in schwedischen Kronen zu veranschaulichen, braucht man übrigens nicht umzurechnen. Deutschland ist etwa zehn Mal so groß wie Schweden was Wirschaftsleistung und Bevölkerung angeht. Der Wechselkurs von Kronen zu Euro ist ungefähr das Gegenteil. Wenn Schweden eine Milliarde Kronen ausgibt, schmerzt das also etwa genauso, wie wenn Deutschland eine Milliarde Euro ausgibt.
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Happy Socks

Ich weiß schon, wo ich das nächste Mal Socken kaufen werde. Beim hier in Stockholm ansässigen Versand Happy Socks.

via Spreeblick

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Bessere Ostseeplanung aus Deutschland

Der WWF hat die Arbeit der Ostseeanrainer mit dem stark belasteten Gewässer verglichen und Deutschland kommt am besten weg. Als einziges Land bekommt es die “Note B”. Schweden liegt mit Finnland, Polen und Dänemark im Mittelfeld und die östlichsten Anrainer bekommen das schlechteste Zeugnis ausgestellt.

Positiv an Deutschland sei die Zusammenarbeit der Behörden für Wasser und Küste und die fortschrittliche und weit fortgeschrittene Planung, was die Ausweisung geeigneter Gebiete für Windkraft, Seefahrtsrouten und Seekabel angeht. In Schweden sei man zwar gut bei der Küstenplanung, aber es mangele auf dem Wasser und an der Abstimmung der beiden.

Generell brauche es mehr Zusammenarbeit der Länder, weshalb Alexander Stubb, heute finnischer Außenminister, vom WWF den Baltic Leadership Award dafür bekommt, die EU-Strategie für die Ostsee initiiert zu haben.

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Knätofsar

Knie-Bommel

Die volkstümliche Tracht von Dalarna, zu der obige Knie-Bommel gehören, wird im Ausland oft als genauso repräsentativ für Schweden gesehen wie die bayerische für Deutschland.

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Sommarpratare Graffenberger

Heute vor siebzig Jahren begann der zweite Weltkrieg mit dem deutschen Überfall auf Polen. Passenderweise bin ich in meiner langen Liste von Podcasts soweit durch die Sommarpratare gekommen, dass ich heute morgen auf dem Weg zur Arbeit das Programm mit Günther Graffenberger zu Ende gehört habe.

Das schwedische Radio schreibt über ihn:

Der gebürtige Ostpreuße kam als Korrespondent für den Axel-Springer-Verlag nach Schweden und ist hier seit 1961 ansässig. Von 1964 bis 1994 arbeitete er bei Radio Schweden. Als freier Korrespondent war Günter Graffenberger für viele deutsche, österreichische und Schweizer Medien tätig und er gilt als einer der besten Skandinavienkenner seiner Zeit.

In seinem Sommarprogram erzählt er vom Krieg, mit Hintergrund seines persönlichen Schicksals, das sowohl die Bombardierung Dresdens als auch die letzten Gefechte in Berlin beinhaltet. Er scheut sich dabei weder, seine damalige Begeisterung von Adolf Hitler zu nennen, noch heute selten vernommene Ansichten zu äußern – wie die, dass das heutige Ost- für ihn immer noch Mitteldeutschland ist – jedoch ohne revanchistisch aufzutreten.

Zudem fand ich Graffenbergers deutschen Akzent im Schwedischen bemerkenswert. Er klingt sehr anders als “moderne” Einwanderer; er streut zum Beispiel einfach deutsche Worte in die Sätze ein, von denen er weiß, dass Schweden sie verstehen. Seine ostpeußische Herkunft spielt sicherlich auch eine Rolle. Graffenberger erzählt, wie ihm diese bei dem guten Kontakt zum schwedischen Staatschef Olof Palme verhalf, dessen Mutter ebenso aus dem heutigen Baltikum kam, weshalb Palme dasselbe Deutsch sprach wie Graffenberger.

An anderer Stelle erzählt er, wie ihm Tage Erlander mit einer Wärme begegnete, die Deutschland abhanden gekommen war.

Lange Rede, kurzer Sinn: Graffenbergers Sommarprogram ist ein Muss für alle Deutschen, die Schwedisch verstehen.

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MOVITS! - Fel Del Av Gården

[Videolink](http://www.youtube.com/watch?v=LnaeImQ0TSg), [Band-Homepage](http://movits.se/), wieder einmal via [Swedesplease](http://www.swedesplease.net)

Jazz und HipHop zu mischen ist mutig – und gefällt! Obiges Lied mit dem wörtlich übersetzten Titel “*Falscher Teil des Hofes*” haben MOVITS! neulich auch im *Colbert Report* aufgeführt: - [Zum Video mit Vorgeplänkel](http://www.colbertnation.com/the-colbert-report-videos/239946/july-27-2009/movits) - [Zum Video mit dem Auftritt](http://www.colbertnation.com/the-colbert-report-videos/239947/july-27-2009/movits----fel-del-av-garden)
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Wählen gehen

Als ich eben nach Hause kam, lagen endlich meine Briefwahlunterlagen zur Bundestagswahl hinter dem Türschlitz. Ich wollte schon bei der ehemaligen Heimatgemeinde nachfragen…

Wie gesagt ist es höchste Zeit für alle Auslandsdeutschen, die das noch nicht getan haben, den Antrag zu stellen.

Was ich ankreuzen werde, weiß ich schon. Mehr dazu bald.

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Wort der Woche: Spikmatta

Spik ist schwedisch für “Nagel”; eine Matta ist ein “Teppich”. Eine Spikmatta dementsprechend ein “Nagelteppich”, auch “Fakirbett” oder “Nagelbrett” genannt.

Was daran schwedisch sein soll? Folgendes. Spikmattor waren dieses Jahr ein echter Verkaufsschlager in Schweden. Allein ein Anbieter hat 150.000 Stück abgesetzt und es gibt zahlreiche Kopien, so dass sich in etwa jedem zehnten Haushalt eine solche finden dürfte.

Es handelt sich dabei nicht um die “klassische” Variante aus Holzbrett mit Eisennägeln, sondern um ein dünnes Polster in Rückengröße, das mit spitzen Noppen aus Hartplastik bestückt ist. Google findet zahlreiche Bilder.

Bemerkenswert ist der stolze Preis von umgerechnet 50 Euro für dieses simple Produkt. In gewisser Weise löst die Spikmatta damit die Foppatofflor als überteuertes Mode-Plastikprodukt ab.

Neben dem Preis gerieten die Nagel-Matten vor allem durch irreführende Werbung in die Kritik. Da wird behauptet, dass das Liegen auf der Matte gegen alles mögliche hilft, von Schlafstörungen über Migräne bis zu Lungenkrankheiten. Gestützt wird das nur auf individuelle Aussagen und keine wissenschaftliche Untersuchung hat einen positiven Effekt gezeigt. Damit gehört die Spikmatta genauso wie Homöopathie ins Reich der Quacksalberei.

Nichtsdestotrotz scheinen viele die “Anwendung” zu genießen und der Erfolg ist nicht zuletzt durch positive Mundpropaganda zustande gekommen.

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